Die Festung der Titanen
anzubieten, schauen sie einen an, als ob man ihnen die Schwester gestohlen hätte, und drehen sich auf dem Absatz um und gehen weg.«
»Es sind nicht unsere Barbaren, Ragnar. Der alte La’mir hat ihm geraten, mich offiziell als Führer des Stammes anzuerkennen. Damit sein Stamm freies Geleit in die Ostmark bekommt.« Ich tat eine hilflose Geste. »Tatsächlich sind wir hier gelandet, weil ich als ›Stammesführer‹ das Recht habe, hier am Wettkampf um den Tarn teilzunehmen.«
»Guter Plan«, knurrte er. »Erst Leib und Leben riskieren, um ein paar Stücke Jade zu bekommen, und dann willst du den Tarn auch noch an Delgere abgeben? Was hast du davon?«
»Elsine versprach, Delgere zur Königin der Kor zu machen und sie zu beraten. Was ich davon habe?« Ich zuckte mit den Schultern. »Delgere hat sich verpflichtet, dass die Kor unter ihrer Führung weder die Ostmark noch das Kaiserreich angreifen. Das reicht mir.«
Ragnar ließ den Grashalm fallen. »Glaubst du tatsächlich, dass es Maestra Elsine gelingen wird, die Kor zu überzeugen, ihr zu folgen?«
»Hhm«, meinte ich. »Sie scheint jedenfalls davon überzeugt. Delgere sagt, dass die Geister den Schamanen der Stämme schon seit Jahren raten, sich unter den Schutz des Drachen zu begeben. Sie haben sich dagegen gestemmt, weil sie stets davon ausgegangen sind, dass der Drache für Askir steht. Jetzt, da La’mir eine andere Deutung gefunden hat, hofft sie, dass er auch die anderen Schamanen der Kor überzeugen kann. Wenn wir dann auch noch den Tarn für Delgere gewinnen, haben wir die Prophezeiung der Geister, die Traditionen der Kor und die Legende auf unserer Seite.«
»Was zur Folge hätte, dass sich die Kor nicht mit Kriegsfürst Arkin verbünden werden.«
»Das ist der Plan«, nickte ich.
Ragnar wies mit seinem Blick zu dem anderen Lager hin. »Deswegen werden sie uns nicht weniger hassen.«
»Ja«, seufzte ich. »Doch wenn die Kor sich aus dem Krieg heraushalten, haben wir Zeit gewonnen, den Konflikt hier friedlich zu lösen.«
»Wenn du Marschall Hergrimm an Delgere auslieferst.«
»Ich liefere ihn nicht aus«, sagte ich ruhig. »Elsine sagt, sie will ihn sich selbst holen. Hergrimm ist ein Verräter, er hat es nicht anders verdient.«
Ragnar schaute mich skeptisch an. »Wenn du es sagst. Was ist mit Maestra Elsine? Vertraust du ihr?«
Ich nickte.
»Wieso?«, fragte Ragnar. »Sie hat mehr als deutlich gemacht, dass sie sich dem Kaiserreich nicht mehr verbunden fühlt.«
Damit hatte er wohl recht, doch er wusste auch nicht, was sie für mich getan hatte …
Es gab einen Karpfen in dem kleinen Teich im Tempelgarten, eine Weide, die ihre traurigen Äste in das Wasser hielt, und eine kleine Bank. Die hohen Mauern des Tempelgartens hielten den Lärm der großen Stadt zurück, die sich außerhalb der Mauern befand, und Teich, Weide, Bank und Karpfen befanden sich in der hintersten Ecke des Tempelgartens, sodass ich dort nur selten gestört wurde. Ich wollte keine Störungen. Ich wollte nicht beständig daran erinnert werden, dass es ein Wunder war, dass ich lebte, dass ich auf dieser kalten Bahre wieder erwacht war, wenn ich auch kaum mehr wusste, wer ich war.
Fremde Gesichter, die mich anlächelten, ehrfürchtige Blicke von Novizen und Priestern, das Raunen hinter meinem Rücken, die verstohlenen Blicke, wenn man glaubte, ich würde sie nicht wahrnehmen, all das war zu viel für mich. Kaum hatte ich die Augen aufgetan, hörte ich, dass ich der Engel Soltars wäre, von dem Gott gesandt, um den Menschen im Krieg der Götter Hoffnung zu geben, um dann doch auf seinem eigenen Schwert zu sterben.
Dem Schwert, das ich in meinen Händen hielt. Es war ein ganz besonderes Schwert, das Schwert, mit dem der Gott Soltar im letzten Krieg der Götter den dunklen Gott Omagor erschlagen hatte. Von
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