Die Festung des Teufels
darüber, dass es so lange dauerte, den Jungen zu beseitigen. Dabei war der Auftrag doch ein Kinderspiel. Chang befand sich im ersten Stock seiner Wüstenfestung. Es war ein richtiges Fort – riesig, quadratisch und mit Zinnen. Es sah aus wie die Festungen, die die französische Ehrenlegion in der Sahara errichtet hatte, nur dass diese hier von einem verwirrten deutschen Grafen im neunzehnten Jahrhundert erbaut worden war. Der Graf hatte sich eingebildet, König zu sein, und hatte sein Schloss einer Festung nachempfunden. Sie war uneinnehmbar, mit unterirdischen Gemächern, Fluchttunneln, Kellern und Verliesen und einem ausgeklügelten Wassersystem, das sich aus einer tief gelegenen Quelle speiste. Was der Graf damals nicht wusste: Unter dem Schloss verlief eine Verwerfungslinie, die der heutige Eigentümer, Shaka Chang, dazu nutzte, ein kleines Wasserkraftwerk zu betreiben. Eines Tages hatte der Graf zu seiner Frau und seinen Kindern gesagt, er wolle einen Spaziergang machen und die Blumen an der Uferpromenade am Fluss bewundern, und da begriff seine Frau, dassihr Mann nun vollends verrückt geworden war. Hier gab es weder Blumen noch eine Promenade und seit jener Nacht auch keinen Grafen mehr. Seinen Gehstock mit dem Silberknauf fand man blutverschmiert am nächsten Morgen. Die Gräfin ging mit ihren Kindern nach Bayern, zurück zu Kälte und Schnee und allem, was sie so schmerzlich vermisst hatte, und genoss das von ihrem verstorbenen Gatten geerbte Vermögen. Die Festung stand eine Zeit lang leer, bis das deutsche Heer sie im Ersten Weltkrieg in Besitz nahm. Ein bitterer Vernichtungskrieg wurde gegen die einheimischen Völker geführt, und die Festung errang den Ruf, Herberge für Verrückte und Mörder zu sein.
Und vor zehn Jahren zog Shaka Chang hier ein.
Er machte das Schloss zu einem modernen Außenposten mit jedem nur erdenklichen Luxus. Jetzt stand er in einem der riesigen Räume. Hier herrschte eine dauerhafte Kälte, sodass keine Klimaanlage erforderlich war. Die Aussicht aus dem Panoramafenster zeigte Wüste, Berge und ein sumpfähnliches Feuchtgebiet, das sich unmittelbar an das schilfbewachsene Flussufer anschloss. Wenn Tiere zum Trinken kamen, gab es in ganz Afrika keinen besseren Beobachtungsposten. Von hier aus hatte er auch einen Blick auf die Sandbänke mit den Krokodilen, denen er gerne dabei zusah, wie sie sich in der Sonne aalten oder wie sie heimlich, still und leise in das ruhige Wasser glitten, um sich ein unschuldiges Opfer zu suchen. Und nicht immer hatte die Beute vier Beine und war ein Tier. Eine lehrreiche Lektion für alle: Wer Shaka Chang nicht zufriedenstellte, beging einen schweren Fehler.
Der Fahrer des Pick-ups, der die Jagd auf Max und ! Koga angeführt hatte, war einbestellt worden. Einer seiner Männer war tot und er selbst blutete noch aus den Wunden, die ihm Max’Peitschenhiebe beigebracht hatten, und er wusste nicht, was schlimmer war – die erlittene Erniedrigung oder der körperliche Schmerz.
Der Fahrer hatte Durst, wagte es aber nicht, um Wasser zu bitten. Es war ein glühend heißer Tag gewesen. Er hätte sehr viel dafür gegeben, in das kühle Wasser des gewaltigen Swimmingpools aus schwarzem Marmor eintauchen zu können, das sich, glänzend wie Öl, bis zu dem großen Panoramafenster erstreckte und so den Anschein gab, mit dem Himmel zu verschmelzen. Der Fahrer betete, dass er Shaka Chang nicht allzu sehr verärgert hatte.
Wachen standen an der Tür, während er auf seinen Boss wartete. Der Fahrer trat nervös von einem Bein aufs andere, sein zerfetztes, blutverkrustetes T-Shirt klebte an seinem staubigen Körper, und die Schnittwunden juckten inzwischen wie verrückt. Chang hingegen trug ein Hemd aus feinster Baumwolle, maßgeschneidert in der Londoner Jermyn Street. Er griff nach einer Flasche Wasser, deren blaues Glas von kleinen Tröpfchen überzogen war, die wie Tau glitzerten. Sein Schneider fertigte die Hemden zwar weit genug an, damit sie über Changs muskulöser Brust nicht spannten, dennoch war die Kraft, die in diesem Körper steckte, nicht zu übersehen. Schwarze Anzughosen und Kalbsleder-Slipper vervollständigten das Bild des modernen Geschäftsmanns. Sein untadeliger Geschmack und das lässige Auftreten unterstrichen seine Autorität.
In einer dunklen Ecke am anderen Ende des Raumes hielt sich ein weiterer Mann auf, fast unsichtbar, so wie er es am liebsten tat. Was Körperbau und Stil anbetraf, war er das genaue Gegenteil von Chang. Klein, bis
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