Die Festung des Teufels
Koga angewiesen. Er hasste zwar das Gefühl, ausgeliefert zu sein, wusste aber, dass er sich zurücknehmen und darauf vertrauen musste, dass der junge Buschmann sie beide durchbringen würde.
Er schaute zu, wie ! Koga sorgfältig eine Handvoll Pfeile auf dem Boden ausbreitete. Aus einer kleinen Holzröhre schüttete der Buschmann-Junge ein paar verpuppte Larven, die er schon einige Zeit vor seiner Begegnung mit Max gesammelt hatte. Nach sorgfältiger Prüfung wählte er zwei aus und legte die anderen in das Behältnis zurück. Dann löste er die Tiere aus ihren Kokons, rollte sie zwischen den Fingern, bis es knackte, und strich die austretende Flüssigkeit unter die Metallspitzen der Pfeile.
Die Pfeilspitzen hatten ein kleines, aus Knochen gefertigtes Gelenk, das mit einer Schilfmanschette verbunden war, die die Spitze auf dem Schaft hielt. Wenn Buschmänner auf ein Tier schossen, sorgte dieses Gelenk dafür, dass sich die Pfeilspitze vom Schaft löste. Die vergiftete Spitze blieb in dem Tier stecken, und der wiederverwendbare Schaft fiel zu Boden. Dann verfolgten sie das Tier, bis es durch das Gift so stark geschwächt war, dass sie es mit einem Speer oder einem Messer erlegen konnten.
Max besah sich einen der Pfeile genauer. Die kleine Metallspitze hatte etwas Faszinierendes. Er wollte mit dem Finger darüberfahren, wollte ihre Schärfe prüfen. ! Koga packte ihn am Handgelenk und nahm ihm mit sanftem Tadel den Pfeil wieder ab. Der Junge lachte leise über die Ahnungslosigkeit seines weißen Gefährten.
Fass nie !Kogas Pfeilspitzen an, unter gar keinen Umständen .
Max fiel Kallies Warnung wieder ein. Das Gift ist tödlich, davon stirbst du. Die Buschmänner, Experten im Einsatz von Pfeilgiften, verwendeten neben Skorpion- und Schlangengiften auch das Gift verschiedener Pflanzen. Am liebsten jedoch griffen sie zu den Larven des Gefleckten Pfeilgiftkäfers, die, im Boden vergraben, in der Nähe von Bäumen zu finden waren. Ein Gegenmittel zu diesem Gift war bislang nicht bekannt. Neugierige, abenteuerlustige Schuljungen aus England wären binnen Minuten tot, wenn sie sich an so einer Pfeilspitze auch nur den Finger ritzten.
Morgen also würden sie auf die Jagd gehen und ihren härtesten Überlebenstest antreten. Zu Fuß würden sie sich in eine feindliche Welt aufmachen, bewaffnet nur mit Max’ Messer, !Kogas leichtem Speer und seinen Pfeilen. Max starrte gebannt ins Feuer. Die zuckenden Flammen erweckten die Schatten ringsum zum Leben – ein makabrer Tanz von Geisterwesen.
Der Morgen rückte immer näher.
6
I m Nordwesten des Tals der Toten, hinter einer roten Dünenlandschaft, die sich bis zur Küstenlinie erstreckte, verhinderte dichter Atlantiknebel alle Flüge, die Kallies Dad für die nächsten Stunden geplant hatte. Irgendwann würden sich die Schleier auflösen, doch insgeheim waren die Teilnehmer der Vogelbeobachtungssafari dankbar für diese kleine Erholungspause von der sengenden Sonne.
Ferdie van Reenen war ein großer, kräftiger Mann mit struppigem Bart und einem Gesicht, dem man ansah, dass er in jungen Jahren geboxt hatte. Er hatte viele Kämpfe ausgefochten, Überschwemmungen und Dürren auf seiner Farm überstanden, doch sein größter Schmerz stand ihm noch bevor, wenn eines Tages seine Tochter Kallie erwachsen werden und von zu Hause fortgehen würde.
Heute sollte er seine Kunden nach Norden fliegen, an den Kunene-Fluss nahe der angolanischen Grenze. Ein Kinderspiel für die zweimotorige Beechcraft Baron, die eine Reichweite von fünfzehnhundert Kilometern hatte. Kallie hatte ihn mit neuen Vorräten versorgt. Er war wie immer gut auf die bevorstehende Reise vorbereitet. Und seine Tochter hatte ihm von Max und !Koga berichtet.
Van Reenen sicherte das volle Gepäcknetz im Heckraum seiner Maschine. Seine Stimme, rau wie Leder, fiel auch wegen ihres Dialekts auf, einer Mischung aus Holländisch und Deutsch.»Das war ganz schön dumm, mein Mädchen. Wenn wir diesem Jungen helfen, handeln wir uns Ärger ein – du wirst es erleben!«
Kallie hakte den letzten Artikel auf der Lieferliste ab – sie führte immer genau Buch über die Konten der Farm. Es kursierte die Geschichte, ihr Vater hätte als Soldat bei der südafrikanischen Luftwaffe ein Hercules-Transportflugzeug mit dreihundert Knoten durch ein Nadelöhr steuern können, und zwar voll beladen, mit dem Flugzeugbauch nach oben. Doch heutzutage stellte das tägliche Geldverdienen für ihn eine weitaus größere Herausforderung
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