Die Festung des Teufels
Herz, und Blut floss ihm aus der Nase. Die Männer stellten ihn auf die Beine, schleppten ihn zum Feuer und trugen ihn um das Feuer herum, während der Gesang anschwoll und das Blut weiterfloss. Max war Teil eines Trance-Tanzes, der zum Herzstück der Buschmann-Kultur gehörte – der Tanz des Blutes.
Eine andere Reise begann.
Max’ Schattengestalt raste durch die Nacht, über Fels und Sand, seine Augen sahen alles. Der Mond stand hoch, das blasse Abbild des Tages hob die Erde gut hervor. Schnell wie ein Tier lief Max über ein Plateau, dessen Rand in den unendlichen Raum reichte. Max achtete nicht darauf und sprang von einem Felsen ab. Welche Gestalt er auch auf dem Grund gehabt haben mochte – hier wandelte sie sich, und jetzt konnte er fliegen. Er schwang sich hinaus, glitt über eine Schlucht hinweg, über ausgedorrte Flussbetten, Bäume und Hügel. Der Traum war Wirklichkeit. Eine übernatürliche Kraft hatte von ihm Besitz ergriffen, ein animalischer Instinkt durchströmte ihn. Aus Armen wurden Flügel, aus seinen Füßen gekrümmte Krallen. Er spürte den Nachtwind und ließ sich von einem unbekannten Führer leiten.
Ein gesprenkelter Baldachin bedeckte den Boden, filterte die Gestalt der Bäume, verhüllte ihr verborgenes Geheimnis. Es war die Taube. Die Taube unter den Bäumen, die Max in der Höhle gesehen hatte.
Er schrie auf.
Ein gellender Schrei, wie der eines Adlers, hallte durch die Leere.
Max tanzte allein um das Feuer, den Kopf in den Nacken gelegt, den Mund geöffnet, obwohl dieser erste Schrei stumm gewesen war. Die anderen sahen ihm zu. Seine Augen fixierten ihre verschwommenen Gestalten. Auf einmal erschöpft, sank er auf die Knie. Hände hoben ihn hoch, legten ihn auf eine Grasmatte, bedeckten ihn mit Stoff und Häuten, um ihn zu wärmen. Schüttelfrost hatte eingesetzt. Es würde Stunden dauern, bis er das Bewusstsein wiedererlangte.
!Koga saß bei ihm, badete seinen Kopf und sein Gesicht mit kostbarem Wasser und hätte gerne gewusst, wohin der Geist seines Freundes gereist war.
Max flog durch ein Schattenland der Träume, übersprang die Zeit, glitt über unglaubliche Landschaften hinweg und blieb dann schlafend liegen, während Wellen aus Farbe an seinen Körper schwappten. Bei alledem anwesend, wenngleich in unterschiedlicher Gestalt, war der Schakal. Der Anubis der Ägypter wog sein Herz auf der Waage himmlischer Gerechtigkeit und legte fest, wohin sein Geist geschickt werden sollte. Dann begleitete er Max als neben ihm herlaufender Hund bei jedem Schritt, verwandelte sich wieder in ein wachsames Tier, das an einem lodernden Feuer in der Nacht saß. Niemals ein Feind, immer ein Wegbegleiter, hielt die Hundegestalt Wacht, unbeirrt von der Verwirrung in Max’ Unterbewusstsein. Doch tief in der Höhle seines eigenen Geistes wusste Max instinktiv, dass der Schakal ihm vorauslaufen würde.
Zwei Tage lang saß! Koga neben seinem vom Fieber geschüttelten Freund. Der junge Buschmann hatte einen Ast des Greviabaums ausgewählt, aus dem sie ihre Bogen fertigten, und hatte geduldig die Krümmung geformt, die ihm vorschwebte. Er befestigte gerade die Sehne und testete ihren Zug, als Max aufstöhnte und sich auf den Ellbogen stützte. Sein Mund war klebrig. Das angetrocknete Blut hatte man ihm vom Gesicht gewaschen, der metallische Geschmack lag ihm aber immer noch auf der Zunge.
Max schüttelte die Steifheit aus den Muskeln. Seine Arme waren mit trockenem Schlamm bedeckt, seine Brust und sein Haar waren ebenfalls dreckverklebt. Noch wacklig auf den Beinen stand er auf.
»Deine Haut. Sie hat gebrannt«, erklärte !Koga. »Ich hab Schlamm auf dich getan. Das ist gut, das schützt dich.«
Max griff nach dem wassergefüllten Straußenei, das ! Koga ihm hinhielt. Zuerst einen kleinen Schluck, mit dem er sich die Zähne und die Kehle spülte und den er anschließend ausspuckte. Es fühlte sich an, als hätte er sich von Tonnen von Dreck befreit, und dann trank er gierig. Der verkrustete, angetrocknete Schlamm wirkte wie eine zweite Haut, seine kurze Hose war ziemlich zerfetzt und seine Fingernägel waren abgebrochen. Die Muskeln taten ihm noch weh von den Fieberkrämpfen und den Verrenkungen während des Bluttanzes. Doch er fühlte sich stark. Stärker als je zuvor. Die Buschmänner sahen ihn an, und er sah sie an, betrachtete eingehend jedes Gesicht, blickte den Menschen in die Augen. Dies war ein stiller Dank an sie alle, und sie schienen ihn zu verstehen. Anfangs nickten sie nur,
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