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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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beachtlichen
Kräfte würde es gut sein, wenn er nichts gewann und ich nichts einbüßte. Wir
waren ungleiche Partner beim Würfeln, ich hatte auf alles, er auf nichts
gesetzt, für ihn wäre es nur eine Niederlage gewesen, wenn er das Spiel verlor,
für mich dagegen das Ende. An meinem Leben lag mir ziemlich viel, an seinem
Verlust nicht das geringste.
    Erleichtert durch den Wunsch, meinen
Kopf zu retten, und durch den Beschluß, nicht untätig auf das meuchlerische
Messer zu warten, machte ich mich auf die Suche nach Osman Vuk. Er war mir
eingefallen, kaum daß ich mich zur Verteidigung entschlossen hatte. Wenn jemand
Avdaga Einhalt gebieten konnte, dann er.
    Ich fand ihn in Mahmuts Speicher, der
voller Wolle war. Er kontrollierte die Knechte, die
die Ballen in Sackleinwand schnürten.
    Mahmut hinkte durch den Speicher und
prüfte überflüssigerweise die Haltbarkeit der
Schnüre, er wollte offenbar vor Osman Fachkenntnis und guten Willen
beweisen. Allerdings besaß er mehr guten Willen als
Fachkenntnis, so daß Osman noch einmal alles überprüfte und
befahl, die Knoten fester zu ziehen.
    »Die Wolle ist für Venedig
bestimmt«, teilte mir Mahmut mit, seine Stimme kam mir traurig
vor. »Osman und Šehaga reisen hin.«
    »Warum hast du sie nicht gebeten,
dich mitzunehmen?«, fragte ich, weil ich wußte, daß er
betrübt war.
    Er zuckte die Schultern: Wer hätte
ihn schon mitgenommen!
    Und dann machte er sich wieder an
die Überprüfung der Ballen.
    »Warum kommst du erst jetzt, wir
hätten Hilfe brauchen können«, sagte Osman und lachte.
    »Ich wollte mit dir sprechen.«
    »Wenn wir fertig sind.«
    »Ich möchte es lieber gleich.«
    »Ich möchte auch vieles.«
    Aber er begab sich in Mahmuts Stube.
Ich folgte ihm und schloß hinter mir die Tür.
    »Ist es eine lange Geschichte?«
    »Das kannst du entscheiden.«
    »Dann faß dich kurz. Ich habe zu
tun.«
    »Ich habe mit Avdaga gesprochen.«
    »Was du nicht sagst! Erst heute?«
    Er scherzte noch immer, aber das
würde ihm vergehen, wenn er alles erfuhr.
    »Avdaga weiß alles. Ich war völlig
verblüfft ,...«
    In diesem Augenblick kam Mahmut
herein und sah uns unterwürfig an, zerfressen von
Neugier. Er hätte ein Jahr seines Lebens hergegeben, um unserem
Gespräch lauschen zu können.
    »Braucht ihr etwas? Möchtet ihr
Kaffee?«
    »Nein«, sagte Osman grob. »Wir haben
etwas zu bereden.«
    Mahmut verließ uns
enttäuscht.
    Ich erzählte, was Avdaga mir über
die Entführung gesagt hatte, und ließ keine Kleinigkeit aus. Er hörte zu, ohne
mich zu unterbrechen, aber mit spöttischer Aufmerksamkeit, die mich
überraschte. Ich hatte angenommen, daß er sich viel mehr Sorgen machen würde.
    Als ich
endete, lachte er sogar laut.
    »Wie war das? Mahmut soll mit dem
Kastellan verhandelt haben? Da weiß Avdaga aber sehr viel, er ist mit der Nase
in einen Kuhfladen gefallen!«
    »Wer war es
sonst?«
    »Irgend
jemand.«
    »Warum verschweigst du mir alles?
Hast du etwa Angst, ich könnte reden?«
    »Nein, Bruder, für so verrückt halte
ich dich nicht. Mit dem Kastellan hat der Fähnrich Muharem verhandelt. Bist du
nun zufrieden?«
    »Wieso
gerade er?«
    »Er haßt sie alle. Den Kastellan
kennt er übrigens gut, sie waren zusammen im Krieg, der eine war alt, der
andere jung. Jetzt sind sie beide alt.«
    Der Fähnrich Muharem! Da hatte sich der
arme Mahmut umsonst mit seinem Durchfall geplagt!
    »Und was
die anderen betrifft, irrt er sich da auch?«
    »Was dich betrifft, nicht.«
    »Avdaga ist gefährlich. Und er wird
immer gefährlicher.«
    »Ich weiß.«
    »Was sollen
wir also tun?«
    »Auf Gott
vertrauen.«
    »Wenn das unsere einzige Hoffnung
ist, dann wehe uns.«
    Osman lachte und tätschelte mir
freundschaftlich das Knie.
    »Auch der Teufel ist nicht so
schwarz, wie immer behauptet wird.«
    Und ohne im geringsten besorgt zu
sein, machte er sich wieder an seine Arbeit.
    Beim Hinausgehen bemerkte ich, daß
Mahmut mit Osman sprach und mir bedauernd nachblickte, weil er mich nicht fragen konnte, worüber wir geredet
hatten. Er ertrug keine Geheimnisse, kein eigenes und kein fremdes, und ganz besonders
plagte ihn dieses.
    Doch was hätte ich ihm sagen können?
Daß er unschuldig war und Avdaga sich irrte? Das wußte er selbst am besten, und
trotzdem half es ihm nicht viel. Ihm zu verraten, daß er anstelle des Fähnrichs
Muharem litt, fiel mir überhaupt nicht ein. Er wäre zwar stolz gewesen, weil
man ihn mit dem tapferen Fähnrich verwechselte, doch er hätte den

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