Die Festung
vor und tröstete mich, daß ich sicher
Arbeit bekommen würde. Bisher brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, unser
Geld, mit dem sie äußerst sparsam umging, würde notfalls auch ein Jahr reichen.
Wir seien jung und gesund, was verlangten wir mehr. Wenn es nichts anderes
gäbe, dies sei ihre geringste Sorge.
Sicher war es nicht ihre geringste
Sorge, aber sie unterdrückte tapfer ihre Unruhe, um mich zu trösten, und ohne
zu wissen, daß es nicht meine größte Sorge war. Wenn sie auch nicht die
richtige Wunde heilte, ihre Treue rührte mich. Sie war an sich schon heilsam,
schön und beglückend wie Liebe.
Und nun, da ich nicht mehr mußte,
erzählte ich alles über Avdaga.
Sie wurde nachdenklich, aber an
diesem Abend war sie entschlossen, Mut bis zum letzten zu bewahren. Sie bagatellisierte
meine Schuld, als Gefahr heraufzog; sie hätte sie als Verdienst gerühmt, wenn es
dafür eine Belohnung gegeben hätte.
Sie verteidigte mich leichthin: »Du
weißt nicht einmal, was wirklich geschehen ist. Wie kannst du schuldig sein?«
Das Argument war nicht besonders
überzeugend, aber es verhalf mir zu ruhigerem Schlaf.
Aber danach kam für alles die Lösung
durch ein Ereignis, mit dem niemand gerechnet hatte.
Am dritten Tag nach jenem
unangenehmen Gespräch wurde der Serdar Avdaga nach dem Abendgebet an der Dariva
getötet. Man erzählte, der Räuber Bećir Toska habe Avdaga bei der Heimkehr
aus der Moschee aufgelauert und einen Schuß auf ihn abgegeben.
Ich erfuhr es am folgenden Morgen
von den Bäckergehilfen. Darüber vergaß ich sogar, Brot zu kaufen, und eilte
unverzüglich zu Mahmut.
Er empfing mich in fröhlicher
Aufregung, fast erdrückt vor Glück.
»Es ist wahr, es ist wahr!«
antwortete er auf meine Frage. »Wie ich heute morgen hier ankomme und denke,
wird der Serdar mich wieder besuchen, da steht der Tischler Abaz da: ›Hast
du gehört‹, sagt er, ›daß der Serdar Avdaga umgebracht worden ist?‹
Mir hat es einen Stich gegeben, ich will fragen, irgendwas sagen, mich wundern,
aber ich kann nur röcheln. Und Abaz erzählt mir: Er ist an der Dariva
umgebracht worden, durch einen Gewehrschuß, Bećir Toska soll es getan
haben, und dann ist er in aller Ruhe in die Berge zurückgegangen. Der
Kastellan hat zu der Zeit ein Pferd gehört. Soweit hat Abaz erzählt, und ich
höre zu, komm zu mir, will lachen, will ihn umarmen, so eine Freude hatte ich
nicht einmal, als mein Sohn geboren wurde. Dann bin ich zum Speicher gelaufen
und habe mich eingeschlossen und bin immer zwischen den Getreidesäcken und den
Wolleballen hin und her spaziert. Ich lache und sage: ›Er ist nicht mehr
da!‹ Nur das: ›Er ist nicht mehr da!‹ Ich war ganz närrisch vor Glück.
Dann bin ich zu mir gekommen, habe mich auf die Bank gekniet und Gott gedankt:
›O barmherziger Gott, ich danke dir, daß du diesem Unmenschen den Garaus gemacht
hast. Ich habe lange nicht an dich gedacht, verzeih mir, aber du hast ein
großes Herz, du hast gesehen, wie dieser Blutsauger mich gequält hat, und bist
im rechten Augenblick zu Hilfe gekommen. Obwohl du dir Zeit gelassen hast! Aber
hättest du dich nur ein bißchen verspätet, wäre jede Hilfe umsonst gewesen,
auch deine.‹ Siehst du, es gibt noch Gerechtigkeit auf der Welt, mein
Ahmet!«
»Ich habe es in der Bäckerei gehört
und zuerst gar nicht geglaubt.«
»Gerade wollte ich zu dir gehen und
die Belohnung für die gute Nachricht holen, da stehst du
vor der Tür. Seien wir froh!«
»Wieso war Bećir Toska so dicht
bei der Stadt? Ausgerechnet, als der Serdar Avdaga unterwegs war!«
»Das geht mich nichts an und ist
auch nicht wichtig. Wichtig ist, wichtiger als alles auf der Welt, daß ich die
Tür nicht mehr anzustarren brauche und fast sterbe, wenn sich die Klinke
bewegt. Jetzt kann hereinkommen, wer will! Kommt, Leute! Ich fühle mich wie
neugeboren!«
Während ich verwirrt darüber
nachdachte, wie seltsam diese Welt war, in der ein Mensch den Tod eines anderen
feierte, weil er ihn befreit hatte, kam Osman Vuk in den Speicher. Er war
ernst.
»Habt ihr das vom Serdar Avdaga
gehört?« fragte er uns beide.
»Ja, Gott
sei Dank!« antwortete Mahmut voller Freude.
»Es ist nicht recht, daß du dich
über den Tod eines anderen freust«, tadelte ihn Osman. »Wie er auch zu
Lebzeiten gewesen sein mag, jetzt ist er tot. Wünschen wir seiner Seele
Frieden.«
»Ich freue mich, daß ich seiner
Seele Frieden wünschen kann. Eben fragte mich Ahmet: Wer hat ihn umgebracht?
Und ich sage:
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