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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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es in
seiner Macht stand. Dann hielt er plötzlich inne, vielleicht hatte er gemerkt,
wie lächerlich das war, was er sagte.
    »Verzeih«, flüsterte er verlegen.
    Es war das schönste Wort, das seiner
feigen Wohlanständigkeit zur Verfügung stand.
    So entlastete er sein Gewissen und
entließ mich freundschaftlich in die Vergangenheit.
    Doch für mich war es ein Schritt in
eine unbekannte und bislang unvorstellbare Zukunft.
    Ich hatte sie in diesem finsteren
Laden neben den öffentlichen Bedürfnisanstalten erblickt, aber nun war ich ver
trieben aus diesem Armenparadies, wo mich der bestialische Gestank daran
erinnert hatte, daß wir uns im Zentrum der Stadt befanden, an einem guten
Platz, und daß mir meine fünfundzwanzig Groschen jährlich sicher waren. Jetzt
erschienen sie mir wie pures Gold.
    Ich würde nach etwas anderem suchen
müssen, ich wußte nicht wonach, aber ich würde suchen. Die Welt war groß, es
gab zahllose Möglichkeiten, und ich hatte Kraft genug, um Mißerfolge nicht
allzu schwer zu nehmen. Irgendwie würden wir weiterleben. Und warum sollte ich
meine Zukunft ausgerechnet an den stinkenden Laden des Schreibers Mula Ibrahim
binden? Er würde mich fallenlassen, auch wenn ich in eine noch schwierigere
Lage geriet, deshalb war es vielleicht besser, daß wir uns in einem Augenblick
trennten, da ich nicht am Rand des Abgrunds stand.
    Glückliches Verweilen, guter Mann,
die Angst macht dich zu einem so unsicheren Freund. Wehe deinen milchbärtigen
Gehilfen, bei denen du keine Gnade kennen wirst: Sie haben dich nicht aus dem
reißenden Fluß gerettet. Vielleicht werdet ihr auch gut miteinander auskommen,
euch verbindet nichts, ihr kümmert einander nicht; die Erinnerung an fremde
Opferbereitschaft wird dich nicht quälen, und du wirst nicht vor ihrer
Unvernunft zittern. Nun gut, man hat dir befohlen, mich fortzujagen. Und du
kannst mich in Ruhe für alles schelten, was ich tun werde, und all das wird
unvernünftig sein, denn anders geht es nicht, jetzt kannst du es, obwohl du
gehofft hattest, daß deine klugen Ratschläge mich vom falschen Weg abbringen
würden.
    Und wenn du guter Stimmung bist,
wenn das Geschäft einträglich ist, wenn die Angst aus dir gewichen ist, wirst
du dir vielleicht einzureden versuchen, daß an allem der Krieg, der Teufel und
das vorzeitige Ende meiner Jugend schuld seien. Hoffentlich bin ich dann nicht
in der Nähe, denn ich würde etwas Häßliches entgegnen, und das wäre ein
nachträglicher Freispruch für das Unrecht, das du mir angetan hast.
    Du siehst, noch denke ich gut von
dir, und ich wünsche mir, daß du bisweilen mitten in der Nacht erwachst und
lange mit gekreuzten Beinen im Bett sitzt, weil dich Reue und Scham plagen.
    Aber Gott verzeihe dir, du hast dir
deine kleine Seele nicht ausgesucht, man hat sie dir gegeben, ohne zu fragen,
du bist an die Reihe gekommen, als es andere, bessere nicht mehr gab. Gott
befohlen, du Mensch wie alle anderen, die Böses nicht aus eigenem Antrieb tun.
Vor jenen, die das Böse ersinnen und ausführen lassen, möge Gott uns behüten.
    Am Brunnen hatte ich den Wunsch, die
Hände unter den kalten Wasserstrahl zu halten. An der Moschee empfand ich Neid
gegenüber den Medresseschülern, die in Holzsandalen zur ritualen Waschung
kamen, fröhlich, begierig nach allem, dumm aus Unerfahrenheit, leicht in ihren
Träumen von dem wunderbaren Leben, das sie vermeintlich erwartete. An der
Schenke von Morić trat ich aus dem Schatten der Mauern und der hohen Bäume
und badete in der Frühlingssonne.
    Frühling,
Sonne, klarer Himmel, heiterer Sinn.
    Fröhliche
Gedanken erwärmen das Herz, fröhlich ohne Grund,
    Gedanken
über nichts ...
    Ich flüsterte sinnlose Verse, hörte
das Gurren einer Taube im Geäst einer Pappel, das Kinderlachen erfüllte mich
mit Freude, ein Vogel tat mir leid, der erschrocken, kopflos über die Dächer
dahinschoß. Ich war ein Teil von allem, was ich sah, und ich war glücklich und
fühlte mich leicht, als wäre ich aus Luft.
    Leichtsinnig oder listig wehrte sich
mein Herz gegen das Leid.
    Ich betrat lächelnd die Markthalle,
verschwendungssüchtig wie ein reicher junger Nichtstuer, und ließ mir
Kopftücher vorlegen.
    »Für eine alte oder eine junge
Frau?« wurde ich gefragt.
    »Eine junge und schöne, die schönste in der Stadt.«
    »Seid
ihr verliebt?«
    »Ja, noch sind wir es, obwohl sie
mit mir verheiratet ist.«
    Der Händler, ein Mann mittleren
Alters, sah mich mitleidig an und sagte: »Komm in ein bis zwei

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