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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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Jahren wieder,
dann frage ich dich, wie es mit der Liebe steht.«
    »Ich werde kommen«, sagte ich
fröhlich lachend.
    Auch er lachte, Gott wußte warum,
über meine Naivität oder über seine Erfahrung.
    Das Tuch brachte ich Tijana, ich
wollte mich mit ihr freuen.
    »Mußt du denn nicht arbeiten? Warum
kommst du so früh zurück?«
    »Sieh dir erst das Geschenk an, über
das andere reden wir später.«
    Es war ewig schade, daß ich nicht
jeden Tag ein anderes Geschenk kaufen konnte, um dieses kindliche Entzücken in
ihre Augen zu zaubern.
    Zuerst fand sie keine Worte, dann
allzu viele; sie sagte, ich sei wunderbar, sie sagte, ich sei verrückt, und
vielleicht sei ich auch wunderbar, weil ich verrückt sei, woher sollten wir das
Geld für so teure Geschenke nehmen, sicher würde es ihr gut stehen, sie habe
nicht gewagt, mir zu sagen, daß sie sich gerade so ein Tuch wünschte, ich müsse
Gedanken lesen können, aber ich sei wirklich unvernünftig, ich brauche Schuhe,
ohne Schuhe ginge es nicht, ein Tuch sei nicht so notwendig, obwohl sie
gestehen müsse, daß ich ihr eine große Freude gemacht habe.
    Und so drehte sie sich unaufhörlich
zwischen Freude und vernünftiger Einsicht im Kreis.
    Ich lachte.
    »Und jetzt will ich dir sagen, warum
ich so früh nach Hause komme. Weil ich Sehnsucht nach dir hatte, weil es nicht
zu früh ist, weil es nicht wichtig ist, ob es zu früh ist, aber wenn es dir zu
früh ist und du das für wichtig hältst, dann hast du dich nicht gefreut.«
    Sie lachte auch.
    »Gut, ich weiß, daß du närrisch bist, aber jetzt sag mir, was war.«
    Ich sagte, daß heute nichts gewesen
sei, alles habe sich vorher zugetragen, nur wir hätten nichts davon gewußt, und
warum sollten wir jetzt betrübt sein, da es vorüber sei.
    Ich äffte Mula Ibrahims Pose nach,
seinen gereckten Hals, die schmalen Schultern, das Flattern seiner kleinen
Augen, die mageren Hände, die sich ängstlich aus den langen Ärmeln schoben wie
zwei Wiesel, die in die Welt lugten, begehrlich schnupperten und beim ersten
Zeichen der Gefahr zurück-schlüpften, und ich sagte mit Mula Ibrahims leiser
Stimme: »Du bist so lange nicht gekommen, da habe ich gedacht, du hättest ein
Geschäft eröffnet oder einen besseren Posten gefunden.«
    Und mit meiner eigenen Stimme
antwortete ich, daß ich noch unentschlossen sei, daß man mir verschiedene
Posten angeboten habe, daß es aber nirgends so stinke wie bei ihm, woran ich so
gewöhnt sei, daß ich jeden Tag vorbeikommen würde, um mich beweihräuchern zu
lassen.
    »Gut, das heißt also ...«, sagte sie
und lachte nicht gerade froh.
    »Gut ist es nicht, aber das heißt
es.« Auch ich lachte.
    Sie brach das Spiel ab, sah mich unsicher an und sagte
ernst: »Und wovon werden wir leben?«
    »Wenn meine Kenntnisse nicht
ausreichen, werde ich Wasserträger in der Synagoge. Mach dir nur keine Sorgen.«
    Das abwesende Lächeln, hinter dem
sie ihre Angst verbarg, sagte mir leider, daß meine Heiterkeit sie nicht zu
täuschen vermochte. Aber ich wollte mir diese Heiterkeit bewahren: Wir würden
leben. War das etwa eine Kunst?
    Und ich hob sie auf wie ein Kind,
hielt sie vorsichtig mit beiden Armen fest, fühlte sie warm und rund an mir.
Ich berührte sie mit Kinn und Wangen: sie war jung. Ich roch an ihr wie an
einer Blüte: ein reiner und vertrauter Duft. Die schönste Frau in der Stadt,
hatte ich gesagt. Sie war es wirklich, und nicht nur in dieser Stadt. Und ich
wußte, daß ich alles auf der Welt vermochte, war es denn schwer, das Leben mit
ihr? Und ich flüsterte ihr zusammenhanglose Liebesworte zu.
    Sie schmiegte sich an mich wie ein
verängstigtes Hündchen an den Leib der Mutter und verbarg das Gesicht vor dem
Leben, vor der Angst, winzig wie ein Spielzeug, still wie ein Traum.
    Dachte sie an ihren ermordeten
Vater?
    Ich hielt sie in den Armen, sie und
jenes Dritte, das ihr das Blut aussaugte wie ein kleiner Werwolf, und wiegte
sie ganz sacht, damit sie sich von der Welt löste, von der Angst, von der
schrecklichen Erinnerung, damit nur ich blieb, sie umgab, unabsehbar wie der
Himmel, wie das Meer, und sie mit Zärtlichkeit überschüttete, die in mir
sprudelte wie ein Quell.
    Hab keine
Angst, sagte ich.
    Ich liebe
dich, sagte ich.
    Wer kann
uns etwas anhaben, sagte ich.
    Und während ich in dem heißen Zimmer
über der Vorstadtbäckerei meine schwangere Frau auf den Armen hielt, fühlte
ich mich wie der Herr der Welt.
    Dieses Gefühl der Tatkraft blieb mir noch
tagelang erhalten, zwar nicht

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