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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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Um ihn und in ihm war alles öde.
    »Offenbar habe ich mich nicht
deutlich ausgedrückt, Mula Ismail. Bitte, höre mich an, ich bin in Not.«
    »Ich habe viele solcher Vorzeichen
im Gedächtnis. Sie künden von Gottes Willen, aber wir verstehen sie nicht.«
    Herr im Himmel, dieser Mula Ismail
war stocktaub.
    Noch schlimmer freilich war, daß er
es nicht wußte. Oder nicht wahrhaben wollte. Ihm genügte, daß er selbst redete,
was konnte er von anderen schon zu hören bekommen? Beschwerden, Klagen,
Vorwürfe. Damit wußte er nichts anzufangen.
    Ich wollte mir den Spaß machen,
daraufloszureden, was mir in den Sinn kam, er hätte das Seine weitergeschwätzt,
und so hätten wir uns hübsch über nichts unterhalten, wie Menschen. Aber ich
fürchtete, daß er mir einmal, wenn ich nicht zum Scherzen aufgelegt war, als
Schreckgespenst im Traum erscheinen könnte, und darüber hätte ich vor Angst den
Verstand verloren. Das Lächerliche und das Entsetzliche sind nahe Verwandte.
    Er verstummte, kaum daß ich mich
umgedreht hatte. Offenbar stockte ihm die Rede, sobald er kein erstauntes
Gesicht vor sich hatte.
    Dann kam eine Gelegenheit, an die
ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht hätte. Geheimnisvoll und wichtig
teilte mir Mahmut Neretljak mit, daß mich der bosnische Defterdar Bekir-aga
Djugum persönlich zu empfangen geruhe. Ich dachte, er führe mich an der Nase
herum oder erzähle
Märchen, um sich seiner nicht vorhandenen Beziehungen zu rühmen. Es kam mir so
unwahrscheinlich vor, als hätte mich der Großwesir selbst rufen lassen.
    Er erklärte mir flüsternd, alles
gehe mit rechten Dingen zu. Seine Frau sei früher mit dem Pantoffelmacher Tica
verheiratet gewesen, und nach dessen Tod sei sie mit ihm, Mahmut, die Ehe
eingegangen. Während seiner Verbannung sei sie von ihrem ehemaligen Schwager
Salko, der ebenfalls Pantoffelmacher und ein guter Mensch sei, unterstützt
worden. Dieser Pantoffelmacher Salko habe eine Tante namens Almasa Mečkar,
und deren Sohn, genannt der Kleine Husein, sei Geselle bei Ahmetaga Ćoro,
und Ahmetaga Ćoro sei der Barbier des Defterdars Bekir-aga Djugum. So sei
mein Name von Mund zu Mund gegangen und schließlich bis zum Defterdar gelangt,
der erklärt habe, mich empfangen zu wollen. Sei das nicht einfach?
    Nach dieser verwickelten Geschichte,
die ich keine zweimal in gleicher Weise wiederholen könnte und jetzt sicher
falsch aufgezeichnet habe, erschien mir alles noch unglaubwürdiger. Selbst wenn
ein Barbier wirklich imstande war, einen Unbekannten der Huld eines so hohen
Herrn anzuempfehlen, so war es doch eine lächerliche Vorstellung, durch wie
viele Ohren und Münder mein Name gegangen war, und Gott allein mochte wissen,
was man schließlich dem Defterdar erzählt hatte.
    Wenn jeder ein Körnchen dazugetan
hatte, war vielleicht ein Gelehrter Bergivija aus mir geworden. Aber vor dem
Defterdar würde der unbedeutende Schreiber Ahmet Šabo erscheinen, der keine
drei Worte über die Lippen zu bringen vermochte, so daß ich und der Defterdar
in großer Verlegenheit sein würden, ich, weil ich all die fabelhaften
Geschichten über mich Lügen strafen mußte, er, weil er einsehen mußte, daß ich
nicht einmal als Diener von Bergivijas Lehrling taugte. Zum Glück war es wohl
doch nur Mahmuts Erfindung, so daß ich nicht vor dieser Begegnung zu zittern
brauchte.
    Aber als Mahmut mir sagte, daß mich
der Defterdar am übernächsten Tag nach dem Mittagsgebet erwarte, und mir
empfahl, pünktlich zu sein, denn Bekir-aga sei sehr beschäftigt, und wer weiß,
ob er mich ein zweites Mal emp fangen könne, da überzeugte ich mich wieder,
daß ich keine Ahnung vom Leben hatte.
    Leider oder glücklicherweise – denn
ich war nicht sicher, ob all das gut oder schlecht ausgegangen wäre – starb
tags darauf der alte und kranke Wesir Musinović. Und nur ein bis zwei
Stunden nach dem Wesir gab auch der bisher gesunde, rüstige, unermüdliche
Defterdar Bekir-aga Djugum seinen Geist auf. Die Trauer um den Wesir hatte ihn
aufs Totenbett geworfen. Einen besseren Beweis für Untertanentreue gab es
wahrlich nicht. Nebenbei bemerkt, ist solche Treue rührend, aber gefährlich,
und der Vorfall, von dem ich erzähle, zeigt, wie schädlich sie sein könnte,
wenn ein ganzes Volk dem Vorbild seiner Führer folgte.
    So wurde auch nichts aus dem
Empfang; den der Defterdar mir zugesagt hatte, ohne vermuten zu können, daß
einen Tag vorher sein Herr sterben würde, deshalb habe ich kein Recht, ihm böse
zu

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