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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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sein, denn Pflicht geht über Gefälligkeit. Wir begegneten uns allerdings auf
seinem Leichenbegängnis, aber das war besser, als wenn es das meinige gewesen
wäre.
    Sein Nachfolger, der mit dem neuen
Wesir kam, wurde nicht von Ahmetaga Ćoro rasiert, und so zerriß die unglaubliche
Kette, die meinen Namen hätte übermitteln können.
    Der reiche Kaufmann Fejzo machte mir
ebenfalls Hoffnungen, aber die zerstörte ich selbst. Schon früher war er mir
mit einem Lächeln und guten Worten begegnet, aber diesmal hielt er mich auf der
Gasse an, erklärte, über alles unterrichtet zu sein, und bat mich zu einem
Gespräch in sein Vorratslager. Vom Lager, in dem sich kostbare, eben aus dem
Orient eingetroffene Stoffe stapelten, führte er mich in ein Zimmer, das mit
Teppichen ausgelegt, mit Sitzbänken entlang den Wänden und dicken Vorhängen an
den Fenstern ausgestattet war. Er zog die Vorhänge nicht zurück, um Tageslicht
einzulassen, sondern entzündete Kerzen in Kupfer- und Silberleuchtern, und
sogleich verbreitete sich ein angenehmer Duft, die Kerzen waren offenbar mit
aromatischen Ölen getränkt. Er entzündete auch Weihrauch.
    »Ich liebe Düfte«, sagte er. »Sie
schützen uns vor dem Gestank. Sie sind die wahre Seele der Dinge. Sogar die
menschliche Seele hat ihren Duft. Was mag es für einer sein?«
    »Wahrhaftig, ich weiß es nicht.«
    »Gib mir die Hand.«
    Ich reichte sie ihm.
    Er beschaute sie lange und
gründlich, hob die Handfläche an seine Nase und atmete die unsichtbaren
Ausdünstungen meiner Haut ein. Dann beschnüffelte er den Handrücken, wobei er
mich mit seinem gelben Bart kitzelte.
    »Du bist empfindlich«, sagte er,
ohne meine Hand loszulassen, »verschlossen, gut, heiteren Sinnes. Vielleicht
auch unbeherrscht, bisweilen.«
    Ich befreite meine Hand aus der
weichen Umklammerung.
    Er fragte, was er mir anbieten
dürfe, etwas zu trinken, Süßigkeiten, Obst? Ich nahm Scherbett, um die
Schläfrigkeit und das seltsame Schwindelgefühl loszuwerden. Es kam von den
Gerüchen, der Stille, dem Halbdämmer, seinem weichen Flüstern.
    »Und jetzt suchst du Arbeit? Am
besten wäre eine Beschäftigung im Staatsdienst. Da brauchst du keine Fähigkeiten,
strengst dich nicht an, bist nicht von Verlusten bedroht und hast Gewinne je
nachdem, wie gut du es verstehst. Aber das ist schwierig. Du bist bei ihnen
nicht gut angeschrieben.«
    »Ich weiß.«
    »Sie haben ein gutes Gedächtnis.
Eine Beleidigung verzeihen sie nicht. Sie kennen keine Gnade.«
    Er sprach ohne Haß über sie, aber
mit spöttischer Verachtung. Und nicht, weil sie roh waren und schlechten
Geruch verbreiteten, sondern weil sie nicht zu leben verstanden. Mit ihrer eingebildeten
Größe und ihrer Dummheit säten sie Angst und Überdruß, und so fühlten weder sie
noch andere sich wohl. Erstarrt in ihrer trägen Unbeweglichkeit, glichen sie
Elefanten, und wie Elefanten konnten sie plötzlich in Wut geraten und alles um
sich vernichten. So stelle er sie sich auch immer vor, mit steifen dicken
Beinen, schlechtgelaunt, dümmlich eitel, bedenkenlos rachsüchtig, blind und
taub für alles Schöne im Leben. Man vergliche sie mit den Elefanten, weil sie
die häßlichsten unter allen Tieren und völlig nutzlos seien. So stürben sie
auch, als ginge die Welt unter, und dabei geschähe nichts. Nur daß andere
Dickhäuter kämen. Die Welt müßte jedoch von Menschen regiert werden, die zu
genießen verstünden, in jeder Weise. Dann ginge es allen gut. Aber dazu würde
es nie kommen, denn jene liebten den Kampf nicht, fänden keinen Genuß daran.
Ein einziger unter ihnen sei eine Ausnahme. Er sei kein Dickhäuter. Džemal
Zafranija.
    Ich empörte mich: »Er wird bald der
Schlimmste von allen sein!«
    »Du irrst dich. Er ist ein
wunderbarer Mensch. Schade, daß du dich mit ihm gestritten hast. Er ist dir in
vielem ähnlich, nur daß du schöner bist. Du weißt doch, daß du schön bist?
Sicher hat man es dir oft gesagt.«
    »Bei Nacht
vielleicht.«
    »Doch, du bist sehr schön, ein
richtiger Mann. Die gibt es leider immer seltener. Wie gefällt es dir hier?«
    »Es gefällt
mir.«
    »Du kannst kommen, wann du willst.
Ich gebe dir auch einen Schlüssel, wenn du möchtest.«
    Er nahm ein Duftfläschchen von einem
Taburett und tupfte sich einige Tropfen auf Bart und Handflächen. Er betupfte
auch mich, und das schwere orientalische Parfüm trennte mich fast wie eine Wand
von der restlichen Welt.
    Ich fragte:
»Kommt auch Džemal Zafranija her?«
    »Ja, oft.
Wir sind

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