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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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gute Freunde.«
    »Hast du
ihn beim Kadi untergebracht?«
    »Ich helfe den Menschen gern.
Besonders, wenn sie meine Freunde sind. Dir werde ich auch helfen.«
    »Und
Zafranija versteht es, zu genießen?«
    »O ja.«
    In diesem Augenblick, wahrhaftig,
erst in diesem Augenblick begriff ich ahnungsloser Narr, wohin ich geraten
war. Er sprach immer leiser und heiserer, kam mir so nahe, daß ich seinen
feuchten und heißen Atem spürte, seine Hand griff nach meiner und streichelte
sie immer zarter.
    Ich sah, das war kein Scherz mehr,
und ich dachte: Soll ich ihm eins auf sein zitterndes Maul geben, damit er
daran denkt, wann er mich in sein stinkendes Nest geschleppt hat, oder soll ich
mich ohne Zank und Streit zurückziehen? Von Zusammenstößen und Haßausbrüchen
hatte ich ohnehin genug.
    Also stand ich auf und bat ihn, die
Tür aufzuschließen, ich sei mit Mula Ismail verabredet.
    Hadschi Fejzo lächelte: »Der wird
dir nicht helfen.«
    »Ist er nicht dein Freund?«
    »Gott bewahre!«
    »Aber sonst ... hast du viele ...
Freunde?«
    »Du wirst sehen.«
    »Und ihr helft euch gegenseitig?«
    »Komm und überzeuge dich. Wir lassen
uns nicht im Stich. Schaust du nachher noch mal herein?«
    »Ich werde keine Zeit haben.«
    »Dann morgen. Auf jeden Fall. Ich
erwarte dich.«
    Ängstlich schaute ich mich um, ob
jemand beobachtete, aus welchem Haus ich kam. Dabei war ich ohne Scheu eingetreten.
    Ich blickte zum klaren Himmel auf,
um das schummrige Halbdunkel zu vergessen, und atmete tief ein, einmal,
zweimal, dreimal, um mich von dem öligen Geruch zu reinigen. Ich fühlte mich
beschmutzt, spürte noch immer die schweißnasse Berührung auf meiner Hand. Ich
spreizte die Finger, damit der Wind sie trockne.
    Zum Teufel mit ihm, er ging mich
nichts an.
    Als erstes bemerkte Tijana den Duft
des Rosenöls, den ich verbreitete wie eine geöffnete Flasche. Sie verzog das Gesicht.
    »Du riechst ziemlich stark«, sagte
sie mißtrauisch.
    »Laß mich, Frau, fast wäre mir etwas
Schlimmes geschehen.«
    »Das sehe ich.«
    Ich erzählte ihr lachend die
peinliche Geschichte, und sie sah mich ungläubig an. Das hast du geträumt,
sagte sie. Sie könne an diese Dinge nicht glauben. Und mir nicht ganz
vertrauen. Sie wisse, daß ich nicht lüge, aber dies gleiche einer Lüge oder
einem groben Scherz. Trotzdem argwöhne sie, daß mich nicht ein bärtiger Hadschi
Fejzo, sondern eine unbekannte Feijzija mit diesem Duft umwölkt habe. Das
stimme leider nicht, wandte ich fröhlich ein, aber die Wahrheit kam ihr
unwahrscheinlich vor. Obwohl sie sie leichter ertragen hätte als ihre
eingebildete. Ich brauchte keine von beiden. Es war nur nicht recht, daß
anständige Menschen verdächtigt wurden, nur weil andere böse waren. Da konnte
noch einer auf die Idee kommen, daß es bequemer sei, einer tatsächlichen Sünde
verdächtigt zu werden, als gar keiner. Aber Tijana konnte diese kluge
Schlußfolgerung nicht gutheißen, sondern sagte, am besten sei es, unparfümiert
nach Hause zu kommen.
    Dies also waren die drei einzigen
Möglichkeiten, die im Grunde keine Möglichkeiten waren, sondern trügerische
Hoffnungen, so zuverlässig wie eine Wolke am Himmel. Später gab es nicht einmal
das.
    Ich ging von einem Amt zum anderen,
von einem Menschen zum anderen, aber nirgends kam ich ans Ziel, zu niemandem
wurde ich vorgelassen. Kleine Beamte hörten mich zerstreut, gelangweilt an, mit
ausdrucksloser, verständnisloser Miene, wenn auch ohne Schadenfreude.
    Stundenlang saß ich in Vorzimmern,
aber die, auf die ich wartete, ließen sich nicht sehen. Entweder stiegen sie
durch die Fenster ein, oder sie kamen angeflogen wie Vögel, oder sie waren
unsichtbar, oder es gab einen geheimen unterirdischen Eingang, der sie vor uns
Wartenden schützte.
    Meine Worte wurden löcherig, meine
Geschichte langweilig, mein Anblick für jedermann ermüdend. Ich verwandelte
mich in einen Bittsteller, und das war das letzte Geschöpf auf Erden. Darunter
gab es nichts.
    Allmählich, nachdem ich mich zuerst
gegen diese Vorstellung gewehrt hatte, spürte ich, wie eine Wand um mich
wuchs, unsichtbar und undurchdringlich. Sie umgab mich wie eine Festung ohne
Aus- und Eingang, unaufhörlich stieß ich mit dem Kopf gegen die harte Mauer,
ich schlug mich blutig, zog mir Beulen und blaue Flecken zu, aber ich stürmte
weiter an. Denn immer wieder glaubte ich, daß es einen Durchschlupf gab. Ein
Spalt mußte vorhanden sein, es war unmöglich, daß die Mauer überall war. Ich
konnte mich auch

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