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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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kam Mahmut
Neretljak aufgeregt angelaufen. »Hörst du denn nicht, daß ich dich rufe?«
    »Was ist geschehen?«
    »Jetzt ist alles gut. Deine Frau
hatte eine Fehlgeburt.«
    »Was ist daran gut, unglückseliger Mahmut!«
    »Gut ist es nicht, aber es hätte
schlimmer ausgehen können.«
    »Was ist mit Tijana?«
    »Die Frauen sind bei ihr.«
    Ich hatte es eilig gehabt, nach
Hause zu kommen, hatte eine Blume mitbringen wollen, und jetzt wußte ich nicht,
wo sie war, ich hatte sie längst verloren, während ich Zeuge fremden Unglücks
wurde und von meinem eigenen nichts ahnte.
    Mahmut erklärte stotternd, er habe
mich aufsuchen wollen, und Tijana habe plötzlich Schmerzen bekommen, er habe
die Nachbarinnen geholt, und als sie ihn aus dem Zimmer gejagt hätten, habe er
mich auf dem Hof gesehen und nach mir gerufen, aber ich sei so in die
Angelegenheiten anderer Leute vergafft gewesen, daß ich nichts gehört hätte.
Vielleicht sei es auch gleichgültig, mich hätten die Frauen genauso weggejagt.
    »Warum bist du nicht zu mir
gekommen?«
    »Ich hatte Angst wegen der
Schießerei.«
    Als ich an die Tür klopfte, öffnete
eine Nachbarin und sagte barsch: »Warte!«
    Wir warteten. Ich starrte die Tür
an, hinter der sich meine Frau quälte, Mahmut den Hof, den er wegen der
Schießerei nicht zu betreten gewagt hatte.
    Nachträglich erregte er sich über
alles, was geschehen war, redete überstürzt, zusammenhanglos, oder es schien
mir nur so, weil auch ich völlig durcheinander war.
    »Ja, so ist das, mein Ahmet. Der
eine sät Unkraut und erntet Weizen, der andere hat das beste Saatgut und erntet
nichts ... Die beiden haben sich abführen lassen wie Hammel, warum sind sie
bloß nicht weggelaufen ... Aber du laß nicht den Kopf hängen, ihr seid beide
jung, ob es immer Brot geben wird, weiß ich nicht, aber Kinder werden kommen
... Ja, auch das Brot ist nicht das Wichtigste, Muharem-aga Taslidžak hatte
davon mehr als genug, auch alles andere hatte er, doch die eigene Frau hat ihm
seinen Teil nicht gegönnt, geb's Gott, daß wir den unseren verzehren können, wenn er auch klein ist ... O
Gott, hilf den Hungrigen und den Satten ... Und Avdaga hat Glück im Unglück,
verliert den Bruder und gewinnt ein Vermögen, ich weiß nur nicht, ob ihn das
froh oder traurig macht, denn mit seinem Bruder hat er kaum gesprochen, doch
Reichtum macht jeden Kummer erträglich ...«
    Endlich ließen uns die allmächtigen
Frauen ins Zimmer.
    Tijana lag auf dem frischbezogenen
Bett, das Haar feucht von Wasser und Schweiß, blaß, mit eingesunkenen Augen,
klein, erschöpft, wie nach einer schweren Krankheit.
    Auch der Boden war gescheuert. War
das ihr Blut gewesen?
    Ihr seid beide jung, und Kinder
werden kommen, hatte Mahmut gesagt, um mich zu trösten. Nein, es sollten keine
Kinder mehr kommen! Sie war mir wichtiger als diese unbekannten, gefährlichen
Wesen.
    Ich berührte mit den Fingerspitzen
die durchsichtige Hand, wagte nicht, sie zu küssen. Sie versuchte mir zuliebe
zu lächeln und schloß sogleich die bläulichen Augenlider, als ginge auch
dieses schwache Lächeln über ihre Kräfte.
    Sie war alles, was ich hatte, und
ich hätte es ihr gern gesagt, aber ich wollte sie nicht belästigen, sie hatte
viel Blut verloren und brauchte den Schlaf nötiger als meine täppischen Worte,
die meine Gefühle nicht ausdrücken konnten. Ich hatte Krieg, Unrecht,
Erniedrigung vergessen, war unfähig geworden zu hassen, alles aus Liebe zu
ihr. Alles haben sie mir genommen (sagte ich leidenschaftlich in Gedanken), du
hast mir alles ersetzt. Hätte ich dich nicht gefunden, würde ich mit dem Leben
hadern und nichts besitzen wie auch jetzt, aber ich würde nicht wissen, was
Glück ist. Deinetwegen fühle ich mich nicht besiegt und denke nicht an Rache.
Ich denke nur an dich, ich habe den einzigen Wunsch, daß das Lächeln auf deine
blassen Lippen und gesunde Farbe auf deine Wangen zurückkehrt. Was hatte ich in
der Stadt zu suchen, warum hatte ich wie gebannt diesen Narren zugeschaut, die
einander jagten, während du dich in Schmerzen gewunden hast? Ich hätte dir
nichts erleichtert, aber mir hätte ich es schwerer gemacht, und das ist nur
recht. Ich lasse dich nie mehr allein, alles, was geschieht, wird uns gemeinsam
geschehen.
    Sie hörte es nicht. Ich flüsterte
ihren Namen, sagte: Schlaf, mein Liebes, denn ich wollte, daß der Schlaf ihr
die Kräfte zurückbrachte, und dabei störte ich nur, weckte sie aus ihrer
Benommenheit.
    Während ich neben ihr kniete

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