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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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mit mir allein, da zitterten mir die Knie.
    Schön, du hast dich wie ein Held
benommen, nun wirst du dafür bezahlen.
    Aber ich bereute nicht, ich konnte
nicht, die Angst sollte tun, was sie wollte.
    Ich konnte nicht unanständig sein,
und ich konnte nicht mutig sein. Also würde ich in Furcht und Anstand leiden.
Ich hatte nicht gewußt, daß man das konnte.
    Mahmut
wartete am Ende der Gasse auf mich. »Schlechtes Wetter, zum Glück.«
    Er ahnte nicht, wie schlecht das
Wetter war, aber warum: zum Glück?
    »Weil ihr
euer Gespräch schnell beendet habt.«
    »Mir kam es
lang vor.«
    »Was wollte
er?«
    »Mir eine
Arbeit anbieten.«
    »Das ist
gut.«
    »Aber ich soll aufschreiben, was
Ramiz in der Moschee redet.«
    »Das ist
schlecht.«
    »Džemal
Zafranija hat ihm den Befehl gegeben.«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Daß ich
nicht will.«
    »Das war falsch. Du hättest sagen
sollen: Ich kann nicht, ich habe keine Zeit, ich bin krank, ich habe Schnupfen,
meine Frau ist allein, meine Hand ist geschwollen, aber nicht, daß du nicht
willst.«
    »Ich habe es nun mal gesagt. Kann
ich mein Wort zurücknehmen?«
    »Ja. Aber
du brauchst nicht. Gesagt ist gesagt.«
    Seine Schlußfolgerung war unerwartet
wie immer. Er erläuterte sie so: »Natürlich ist es dumm, aber anständig. Jetzt
wird er dir zusetzen, aber er soll nur sehen, daß wir nicht alle Feiglinge
sind. Ich habe nie gewagt, so zu reden, obwohl ich wollte, ich kann gar nicht
sagen, wie sehr ich wollte. Es ist schwer, sein Leben lang feige zu sein, zwar
lebt man länger, aber ich weiß nicht, ob es lohnt. Für mich lohnt es, denn ich
kann nicht anders, also versuche ich es gar nicht erst. Ich schimpfe, ich
fluche, ich sage: ich will nicht, ich sage: ich will, zum Trotz, aber alles in
Gedanken, laut wage ich es nicht, alles in Gedanken, um mich zu erleichtern.
Aber es ist nicht das Richtige, wenn man es für sich behält. Du hast es
ausgesprochen. Es wird dir sicher schaden, aber alle Achtung, Bruder. Wärst du
gescheit und hättest du etwas nachgedacht, hättest du es nie gesagt und ruhig
schlafen können, so wirst du auf das Henkerbeil warten und ich mit dir, denn
mir hat es auch ohne dich gedroht, und jetzt werden sie glauben, daß wir einer
Meinung sind. Aber wenn schon, mir tut es nicht leid. Was auch kommen mag, wir
sind Freunde.«
    Viel Leid und wenig Trost. Er war
dennoch tapfer.
    Ich sagte im Scherz:
    »Du hättest lieber einen Mufti zum
Freund nehmen sollen statt mich.«
    »Ach, hol's der Henker. Nützlich
wäre es schon, da gibt es nichts zu sagen. Aber fürs Herz, da bist du gerade
richtig. Nichts Besonderes, aber ein Mensch. Du bringst nichts ein als Angst
und Schrecken, doch was kann man da machen.«
    Ich erinnerte mich, wie er über
seine Frau gesprochen hatte. So ähnlich hätte er auch über mich sprechen
können: ein Narr, ein Nichts, keine drei Schafe könnte er hüten, ein armer
Schlucker, heute ist er dumm, aber früher war er noch dümmer, er läßt sich jede
Gelegenheit entgehen, tappt in jede Falle, er bringt sich selbst und anderen
nur Unglück, nein, wirklich, einen besseren Freund wünsche ich mir nicht.
    Jetzt aber hatte er keine Zeit für
so eine Liebeserklärung, auf die ich gern zugunsten eines Feindes verzichtet
hätte. Die Drohung des Serdar Avdaga beunruhigte ihn, und meine Antwort noch
mehr, trotzdem vergaß er darüber nicht das Geschäft. Er hatte es eilig, mein
niedergebranntes Haus zu verkaufen. »Falls dir etwas zustoßen sollte«, sagte er
ernst.
    Wir machten uns an die Arbeit,
verabredeten den Verkauf, erledigten die notwendigen Formalitäten bei Gericht,
alles hastig, als rüstete ich zur Flucht. Weil ich plötzlich ohne Grund
Bedauern empfand, diese Ruine brauchte ich nicht, aber ich löste eine Bindung,
ich trennte mich endgültig von etwas, was nicht einmal mehr existierte, was
vielleicht einst existiert hatte. Was wollte ich damit? Die Schatten hüten? Unter unserem Himmel wurden
Bindungen oft gelöst, und eine Generation hinterließ der nächsten nicht viel.
Aber in einem Augenblick hatte ich den Wunsch, diese Schatten zu hüten, später
tat es mir leid, daß ich dieser Schwäche nicht gehorcht hatte. Doch auch das
hätte ich bereut, warum sollte mich die Vergangenheit quälen, die es nicht mehr
gab.
    Mahmut wartete ungeduldig darauf,
daß ich das Geld in Empfang nahm, er ahnte nichts von meiner Pein, zum Glück,
denn ihn hätte der Schlag getroffen, hätte er gewußt, wie sehr ich schwankte.
    Als alles erledigt war,

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