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Die Festung

Die Festung

Titel: Die Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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straffte
sich Mahmut, atmete auf, wurde lebhaft und heiter, während ich bedrückt
verstummte, doch vor lauter Glück sah er das nicht.
    Der Käufer und der Schreiber im
Gericht sahen uns erstaunt an wie zwei Tröpfe, die wir auch waren. Ein Narr
verkaufte zum billigen Preis den Ort möglicher Erinnerungen an seine Toten, um
das Geld einem anderen Narren zu geben, für die törichteste Sache auf der Welt,
für tausend wertlose Trillerpfeifen.
    Mahmut brach am nächsten Tag
frühmorgens auf, ich weiß nicht, wie er die Nacht verbracht hatte, vor lauter
Ungeduld, Plänen, Träumen. Am darauffolgenden Freitag kehrte er zurück,
abgemagert, unausgeschlafen, aber glücklich, mit eineinhalbtausend Pfeifen.
Die Reise, der Hunger und die Entbehrungen hatten ihn fast umgebracht, die Hoffnung
hatte ihm das Leben wiedergegeben, und so zog er stolz in die Stadt ein, ein
asthmatischer Sieger am Ende seiner Kräfte, schwankend wie ein morscher
Zaunpfahl. Das kranke Bein konnte er kaum bewegen, aber er war seiner selbst
sicherer denn je.
    Er verkaufte die Ware in den Läden –
nicht so günstig, wie er veranschlagt hatte –, rechnete ordentlich mit mir ab
und wollte kaum die Reisekosten erstattet haben, so glücklich war er über
seinen ersten geschäftlichen Erfolg im Leben.
    Und in der Stadt, im
Geschäftsviertel, in den Vorstädten, in den Häusern gellten Mahmuts
eineinhalbtausend Pfeifen in Kindermündern und erhoben solchen Lärm, daß die
Tauben erschreckt flohen und die Menschen sich vor Pein an den Kopf griffen.
    Mahmut ging stolz umher, weil er der
Stadt dieses betäubende Konzert und den Kindern diese närrische Freude
beschert hatte, und ich lachte und schämte mich ein wenig und gab nicht zu, daß
auch ich an diesem Getöse schuld war.
    Ich lachte, aber dabei war ich tief
betrübt.
    Was war aus dem Ort meiner
Erinnerungen geworden? Das Kreischen von Trillerpfeifen.
    Ich hätte es nicht tun dürfen. Ich
brauchte diese Ruine, sie verband mich mit meiner Kindheit und mit dem Leben,
aus dem das meine entstanden war. Ich hätte die Schatten hüten sollen, damit
die Gedanken nicht leer blieben, ohne Spur und Halt und Trauer um die verlorene
Vergangenheit. Meine und ihre.
    Jetzt, allein, fing ich mit allem
wieder von vorn an.

Ein Jüngling reinen Herzens
    Im Kaffeehaus blieb ich länger als sonst und viel
länger als beabsichtigt. Mahmut Neretljaks wegen hatte ich nicht das Herz, zu
gehen: er feierte seinen geschäftlichen Erfolg und lud jeden ein, der kam. Es
wurde dunkel, von der Beg-Moschee wurde zum Abendgebet gerufen, aber Mahmut
trank und ließ andere trinken, schon seit Tagen voller Stolz und Entzücken und
unfähig, sich an seinen kläglichen Triumph zu gewöhnen. Er erzählte
unaufhörlich, prahlte, lachte gutmütig über die immer offeneren und immer giftigeren
Spottreden, die er nicht verstand, und gab verschwenderisch das an den
Trillerpfeifen verdiente Geld aus.
    Ich war wütend über sein Verhalten
und verwundert, weil er den Hohn als Scherz hinnahm. Sie priesen scheinheilig
seinen Verstand, weil er auf die Kinder und die Trillerpfeifen verfallen war,
was noch keinem Kaufmann in den Sinn gekommen sei, sie fragten ihn, was er als
nächstes vorhabe, damit sie sich nicht zufällig derselben Sache annahmen, denn
ihm sei keiner gewachsen, sie empfahlen ihm, den Laden zu verkaufen, denn er
sei zu Höherem geboren, und sie staunten, weil er bisher sein Talent
geheimgehalten habe.
    Schwitzend, vom Trunk erhitzt, vom
Glück berauscht, vertraute Mahmut den Leuten an, daß ihn lange das Pech
verfolgt habe, und in so einem Fall seien Verstand und Talent umsonst, es ginge
einem nichts von der Hand. Er aber sei einem guten Menschen begegnet, der
gesehen habe, was er wert sei, und das habe gleichsam den Zauber von ihm genommen.
Jetzt sei er auf die Beine gekommen, wenn auch nicht auf großen Fuß, er habe
eine Stütze gefunden und hoffe, das Unglück sei vorüber, denn ein Mensch habe
ihm vertraut. Niemand könne ermessen, vielleicht nur er allein, was es für eine
Hilfe sei, wenn einem jemand glaube. Das erwärme das Herz und stärke das Rückgrat.
Ja, er habe einige wohl-durchdachte Pläne und hoffe, damit Erfolg zu haben. Und
niemand brauche zu fürchten, daß er sich in die Geschäfte anderer einmische. Im
Gegenteil, er wolle jedem nach Kräften mit Rat und Geld helfen, denn er
wünsche, daß es allen gut ginge, und wolle mit allen in Frieden leben.
    In dem verrauchten Kaffeehaus
lachten die Leute lauthals, klopften ihm

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