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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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Arbeitsstandards sorge. Jetzt, wo man sich nicht mehr auf billige Ausfuhren stützte, durfte der Renminbi ruhig einen Höhenflug antreten. Die Chinesen kauften im Ausland ein, reisten um die Welt und übernahmen ausländische Firmen. Das allgemeine Einkommensniveau stieg, die Unternehmen warfen Gewinn ab und die Steuereinnahmen stiegen. So ließen sich Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsysteme verbessern und China ging sogar endlich seine ökologischen Probleme an.
    »Wie können wir uns ein sozialistisches Land schimpfen, wenn wir uns nicht um unsere Arbeiter kümmern und keine Kranken- und Sozialversicherung für alle einrichten!«, rief He Dongsheng aus. Bei diesen Worten nickten Xiaoxi und Fang Caodi zustimmend.
    China hatte sich ein gutes Stück von den entwickelten Nationen losgelöst, aber das hinderte es nicht am Warenaustausch mit anderen Ländern und kam keinesfalls einer Abschottung gleich. Chinas Schwerindustrie befand sich weiter im Aufbau, man benötigte auch weiterhin Industrieanlagen, die in Industrie-nationen wie Deutschland als Ganzes abgebaut und vor Ort wieder aufgebaut wurden. Auch die USA verfügten noch über eine Reihe Güter, deren Herstellung China bislang selbst nicht leisten konnte – wie Boeing-Flugzeuge und andere Hightech-Produkte –, und man kaufte so viel davon, wie für Geld nur zu bekommen war. Natürlich konnten Europa und die USA sich auch nicht von einem auf den anderen Tag völlig aus ihrer Abhängigkeit von chinesischen Produkten befreien. Der Export dorthin sank zwar, aber das half, endlich den eigenen Handelsüberschuss abzubauen. Insgesamt gesehen war China in der Lage, den größten Teil seiner benötigten Waren selbst herzustellen. Billigwaren oder nicht, die Inlandsnachfrage war groß genug, und wo Wettbewerb war, da passten sich Preise und Qualität von ganz alleine an. Der Bedarf an Industriegütern aus den entwickelten Nationen würde mit der Zeit immer weiter sinken. Um sich eine Scheibe vom fetten chinesischen Markt abzuschneiden oder ihre Präsenz dort zu halten, waren Kapital, Marken und Einzelhandel aus dem Ausland bereit, nach strikten Vorgaben Joint-Ventures einzugehen. Das entsprach zwar nicht dem Geist der WTO, aber mit ihrem Streit über Protektionismus und Merkantilismus legten die entwickelten Nationen die Verhandlungen dort ohnehin lahm. Ungehinderter globaler Freihandel war bereits zu einem Traumgespinst der Vergangenheit geworden, und es gab niemanden mehr, der sich erlauben konnte, von seiner hohen moralischen Warte aus die anderen zu kritisieren.
    Den überwiegenden Teil der Energie, Bodenschätze, Rohstoffe und Getreideerzeugnisse, die China benötigte, bezog es aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Inzwischen versorgten selbst Kanada, Australien, Neuseeland und Russland China mit diesen Gütern, während sie von dort Fertigprodukte kauften – aus chinesischer Sicht konnte man sie also als Dritte-Welt-Länder ansehen. Mit den wichtigsten Handelspartnern hatte man bilaterale Währungsswap-Mechanismen eingerichtet, was den Renminbi zu einer weltweit zirkulierenden Währung wie Dollar und Euro machte. Chinas Volkswirtschaft war bereits ebenso wichtig wie die der USA, Europas und Japans, jedoch steckten diese drei in der heißkalten Stagflation fest, während es China blendend ging. Die Inflation wurde bei akzeptablen sieben bis acht Prozent gehalten, während die Wirtschaft das dritte Jahr in Folge um fünfzehn Prozent wuchs. So etwas hatte es ganz zu Beginn der Reform- und Öffnungspolitik schon einmal gegeben: 1982 bis ’84 war das BIP jährlich um fünfzehn Prozent gewachsen, aber damals war es insgesamt noch nicht sehr hoch. Vereinfacht gesagt war China der alleinige Wachstumsmotor der Weltwirtschaft, daher verwunderte es nicht, dass die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas seine Nähe suchten, und auch nicht, dass manche Leute sagten, die Zeit der amerikanischen Vorherrschaft sei endgültig vorbei, das Chinesische Jahrhundert habe offiziell begonnen.
    Chen, Xiaoxi und Fang Caodi verstanden nicht viel von Wirtschaft, aber sie sorgten sich um China, deswegen hörten sie He Dongsheng aufmerksam zu. Doch als dieser von der Wirtschaft auf die internationale geopolitische Situation zu sprechen kam, kamen sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
    Den USA ging es wirtschaftlich schlecht, aber sie waren in militärischer Hinsicht noch immer eine Großmacht. Sie alleine verfügten über die Stärke, weltweit Krieg zu führen.
    China konnte nicht

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