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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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Haus nicht mehr. Wir machen noch Liebe, wenn sie Lust dazu hat, aber sie unterhält sich nicht mehr mit mir; sie ist völlig verstummt.
    Die ganze Zeit, die ich hier in Peking bin, hat sie irgendwas eingenommen, wenn sie dachte, ich sehe gerade nicht hin. Sie schien danach immer ganz abwesend, so als ob ihr Geist kurzzeitig den Körper verlassen hätte, aber es dauerte nie länger als eine halbe Stunde, dann kam sie wieder zu sich. Diesmal kam sie nicht zurück.
    Ich wusste, jetzt war es an mir, mich um sie zu kümmern. Aber das bisschen Geld, das ich mit Gelegenheitsarbeiten verdienen konnte, würde nicht reichen, um über die Runden zu kommen. Ich hoffe, Miaomiao kann mir verzeihen, was ich stattdessen getan habe: Ich habe angefangen, unsere Tiere zu verkaufen, vor allem Hunde- und Katzenbabys. Nicht an Fleischlieferanten, nein, nur an Privatleute. Mit der Wirtschaft geht es aufwärts und viele Leute halten jetzt wieder Haustiere. Ich bin schon ziemlich gut im Ausbilden der Tiere und auch in der Zucht. Wenn ein Wurf geboren wird, ist ein anderer schon fertig zum Verkauf. Wir haben immer genug Welpen und kleine Katzen, und zum Glück hat Miaomiao sie alle gleich gern und bemerkt den Unterschied nicht. Sie füttert einfach die, die gerade da sind.
    Ich habe jeden Tag drei Stunden Gitarre geübt. An manchen Abenden sagte ich Miaomiao, dass ich in die Stadt gehen würde, um mir Bands anzuhören. Sie reagierte nicht darauf. Mit dem Fernbus bin ich dann nach Wudaokou in einen der Clubs gefahren, die Miaomiao mir früher gezeigt hat und wo es Livemusik gibt. Ohne Musik hätte ich es nicht ausgehalten. Ich traf dort immer ein paar bekannte Gesichter, andere Musiker, mit denen ich ein bisschen gejammt habe. Meine spanische Gitarre gefiel ihnen gut. Sie versprachen, mir Bescheid zu geben, wenn sie mal einen Gitarristen brauchen sollten. In Erwartung meines ersten Auftritts habe ich wie besessen geprobt. Alle Techniken, die du mir gezeigt hast, Miaomiao, ich habe sie bis zum Umfallen geübt.
    Ich konnte ja nicht ahnen, was an jenem Abend passieren würde.
    Der Anruf kam: Ich sollte spielen. Nachdem ich euer Abendessen vorbereitet hatte, verabschiedete ich mich von dir und setzte mich in den Fünf-Uhr-Bus nach Wudaokou. Die Konzerte dauerten meistens zu lange, als dass noch ein Bus zurückfuhr, deshalb würde ich mir wieder irgendwo ein Plätzchen zum Schlafen suchen und am nächsten Morgen den ersten Bus nehmen. Als ich in der Stadt ankam, ging ich erstmal in eines der kleinen Restaurants in Lanqiying und aß zu Abend. Es war ziemlich eng und ziemlich voll. Am Tisch nebenan saßen ein Mann und eine Frau. Der Typ klang wie einer von den Moderatoren dieser taiwanischen Unterhaltungssendungen im Fernsehen und redete ununterbrochen auf die Frau ein. Ich bekam nicht ganz mit, worum es ging. Aber dann fing auf einmal die Frau an zu reden – sie war eindeutig aus Peking – und auf die Regierung zu schimpfen!
    Mir ist aufgefallen, dass man seit dem Eintritt Chinas in sein Goldenes Zeitalter vor jetzt etwas mehr als zwei Jahren eigentlich nur noch fröhliche Menschen trifft. Es wird auch nicht mehr über Missstände oder andere unerfreuliche Themen geredet. Irgendwie kamen mir die Leute schon alle ein bisschen komisch vor, aber ich hatte keine Ahnung, woran es lag, also habe ich einfach so getan, als würde es mir genauso gut gehen wie allen anderen. Deswegen war es ein besonderes Gefühl, als ich die Frau über die Regierung herziehen hörte. Aber der Typ mit dem taiwanischen Akzent stauchte die Frau doch echt zusammen: »Eure Regierung macht ihre Sache großartig! Sie tut, was für euch am besten ist, ihr solltet gefälligst dankbar sein! Ist nicht so einfach, dreizehn Milliarden Mäuler zu stopfen! Wer seid ihr denn, die Regierung zu kritisieren? Und ihr Frauen habt sowieso keine Ahnung!« … Vielleicht war es, weil er die ganze Zeit »ihr« und »euch« sagte, auf jeden Fall ging der Typ mir ziemlich auf den Zeiger. Ich stand auf und zahlte. Da sah ich, dass er nur noch mit einem Fünftel seines Hinterns auf dem Stuhl saß. Ohne nachzudenken trat ich beim Rausgehen einmal heftig dagegen, sodass er prompt auf dem Boden landete. Eilig verließ ich das Restaurant, ohne mich noch einmal umzudrehen. Es schien mir aber auch keiner hinterherzurennen.
    Das Konzert war in einem Club namens Die Fünf Aromen. Wir spielten nicht schlecht zusammen, die Stimmung war super und ich bekam zweihundert Yuan Gage. Die Leute aus der Band nahmen

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