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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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politische Karriere vor sich hatte, es wie schnell wie weit bringen würde. Ich war es, der ihn ausgesucht hat.
    Eine gute Wahl: X, Y und Z haben Doppel-S initiiert. Ihr Leitgedanke: die richtigen Ideen mit echter Macht zu vereinen, für ein noch stärkeres China. Offiziell befasst sich der Studienzirkel mit dem Kanon der westlichen wie der chinesischen Staatsleere und zieht so hohe Beamte, Generäle und politisch denkende Unternehmer an. XYZ wollen Lehrmeister des Staates werden und sind überzeugt, dass die Geschicke des Landes binnen zehn Jahren nach Maßgabe ihrer Ideen gelenkt werden. Was hervorragend zu meinem eigenen Zehnjahresplan passt.
    X kontrolliert die wichtigsten akademischen Journale und verfügt über die weitreichendsten Beziehungen der drei. Er hat den besten Draht zu den Medien, reißt allerdings auch den Mund am weitesten auf. In akademischen Kreisen geht das Gerücht, er habe Verbindungen zum Staatsschutz. Y genießt das größte Ansehen als Wissenschaftler. Er gilt als Kapazität auf seinem Gebiet, leitet ein erst jüngst etabliertes Institut an einer Schwerpunktuniversität im Süden und ist auch im Ausland kein Unbekannter. Z hält Vorlesungen über Strategien der Nationalen Sicherheit an der National Defense University, die der Volksbefreiungsarmee untersteht. Militär und Lokalregierungen haben das Vorlesungsprogramm gemeinsam ins Leben gerufen, sein Publikum dort besteht aus hochrangigen Vertretern beider Seiten.
    Z ist sehr reflektiert, denkt weit voraus. Er versteht mich am besten. In der letzten Erweiterungsrunde des Studienzirkels war er es auch, der sich dafür einsetzte, mich per Ausnahmeentscheidung zum Vollmitglied zu machen, bevor ich auch nur meinen Master in der Tasche habe. X will im Nachhinein auch etwas vom Ruhm abhaben und behauptet deshalb, er habe sich mit Z zusammen für meine Aufnahme stark gemacht, die andernfalls noch weitere drei bis fünf Jahre Anwartschaft erfordert hätte.
    Meine Jugend ist wertvoll. Wie könnte ich zulassen, dass sie so sinnlos vergeudet wird? Zuweilen muss man eben etwas nachhelfen, um seine Ziele zu erreichen. Ich hatte erkannt, dass Z die eigentliche Schlüsselfigur war, denn er ist auf Augenhöhe mit einem Mann, den alle im Zirkel nur den »Rasenmäherkopf« nennen. Er gehört zum echten Roten Adel. Für Außenstehende verdient er sein Geld mit Auslandsinvestitionen, aber Insider wissen, dass seine Beziehungen über Partei und Regierung bis hin zu Armee, Polizei und Unterwelt reichen. Er ist bis ganz nach oben vernetzt. Meiner Einschätzung nach wird er einmal auf der Kandidatenliste für eines der höchsten Staatsämter stehen. Im Studienzirkel ist einiges an Macht und Einfluss konzentriert, aber Rasenmäherkopf flößt allen gehörigen Respekt ein. Er und Z sind die eigentliche Seele der Gruppe – obwohl ich natürlich nicht an so etwas Irrational-esoterisches wie Seele glaube. An Rasenmäherkopf heranzukommen ist sehr schwierig, bis heute habe ich keinen Weg gefunden, ihn auf mich aufmerksam zu machen, also konzentriere ich mich fürs Erste weiter auf Z. Für ihn und XY habe ich schon im Grundstudium alles Mögliche erledigt. Die drei haben verschiedene Organisationen an der Hand und verfügen über beträchtliche finanzielle Mittel. Beispielsweise beantragen sie staatliche Projektgelder, die sie dann an Akademiker verteilen, die bereit sind, sich unseren Reihen anzuschließen. Mit dem Geld reicher Stiftungen werden hochkarätige Konferenzen abgehalten und Weggefährten im In- und Ausland unterstützt, um eine gemeinsame Front aufzubauen. Auch um die zukünftige akademische Elite kümmern sie sich. Zweimal im Jahr veranstalten sie ein Studienlager für chinesische Nachwuchsakademiker weltweit, zu dem die besten Studenten der Kultur- und Sozialwissenschaften kostenlos eingeflogen werden. Das Sommercamp findet in Peking oder Shanghai, das Wintercamp in Hongkong oder Macao statt. Die Teilnehmer werden nicht nur mit reichlich gutem Essen und reichlich Begleitprogramm versorgt, sondern auch intellektuell intensiv bearbeitet – man könnte durchaus von Gehirnwäsche sprechen. Deswegen nennt man die Lager auch »Monstercamps« oder – in Anlehnung an die berühmte Militärakademie, die Chiang Kai-shek während des Krieges mit Nachwuchs für die Offiziersränge belieferte – manchmal auch »New Whampoa Academy«. Bei so vielen Veranstaltungen ist eine strikte Arbeitsteilung erforderlich. Y und Z halten beispielsweise auf den Monstercamps nur

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