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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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mich mit auf ein Bier, um mein erstes richtiges Konzert gebührend zu feiern. Das ging dann ungefähr bis nachts um zwei.
    Nachdem wir uns verabschiedet hatten, wollte ich eigentlich bis zum Morgen durchhalten, aber der Alkohol machte mich so schläfrig, dass ich mich in der Nähe des Busbahnhofs abseits der Straße in eine Nische kauerte, um ein wenig zu schlafen.
    Ich hatte mich kaum hingesetzt und die Augen zugemacht, da tauchten plötzlich wie aus dem Nichts fünf, sechs Typen auf und prügelten ohne Vorwarnung mit Stöcken auf mich ein. Ich hatte keine Chance aufzustehen, geschweige denn mich zu wehren. Hatte der Typ mit dem taiwanischen Akzent die Kerle auf mich gehetzt? Ich bin zwar kräftig gebaut, aber so heftige Schläge hätte ich nicht lange ausgehalten. Dann ließen die Typen plötzlich von mir ab und rannten davon. Ich bekam keine Luft. Meine linke Hand schien gebrochen zu sein, die rechte war unter mir eingeklemmt. Das Asthmaspray in meiner Hosentasche war unerreichbar. Irgendjemand beugte sich über mich, doch ich brachte keinen Laut hervor. Ich zuckte verzweifelt mit der Hand in Richtung meiner Hosentasche, aber der Mann verstand nicht, was ich von ihm wollte. Ich werde sterben, dachte ich.
    Wer würde sich dann um dich kümmern, Miaomiao? Das war mein einziger Gedanke. Was wird aus dir und den Tieren? Verzeih mir, Miaomiao, ich hätte nicht so leichtsinnig sein dürfen, diesen Typen anzurempeln. Wer sollte jetzt für euch sorgen?
    Plötzlich spürte ich, wie sich meine Lungen mit dem Spray füllten und entkrampften. Ich konnte wieder atmen. Ich wusste, ich war stark und würde überleben. Die Prügel konnten mich nicht umbringen.
    Im Krankenhaus kam ich wieder zu mir. Die Schwester rief jemandem zu: »He, der Junge, den Sie hergebracht haben, wacht gerade auf!« Ein älterer Mann, den ich nicht kannte, kam zu mir ans Bett. Ich nahm all meine Kraft zusammen und sagte: »Hose … Meine Hose …« Er brachte sie mir und ich ließ ihn fünfhundert Yuan aus der Tasche nehmen. Dann diktierte ich ihm Miaomiaos Adresse, die Sorte und die Menge von Tierfutter, die wir brauchten, bat ihn, etwas Mehl und Eier zu kaufen und alles zusammen für mich nach Huairou zu bringen. Ich konnte nicht wissen, ob er mein Geld nicht einfach nehmen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde, oder ob er wirklich bereit war, nach Huairou zu fahren. Ich wusste nicht einmal, warum er im Krankenhaus gewartet hatte. Aber ich war nicht in der Lage, mir über solche Sachen groß Gedanken zu machen. Das Einzige, woran ich dachte, war, dass euch bald das Essen ausgehen würde.
    Am Morgen des zweiten Tages kam der Mann zurück. Er sagte, dass alles abgeliefert sei und eine Frau die Sachen in Empfang genommen habe. Als er ihr gesagt habe, dass ich im Krankenhaus lag, habe sie bloß gelächelt und es mit einem Nicken zur Kenntnis genommen. Dann habe sie ihm ein ungezuckertes Plätzchen angeboten. Und da seien wirklich eine ganze Menge Hunde und Katzen gewesen. Als ich das hörte, war ich beruhigt.
    Nachmittags sah er wieder nach mir. Ich fragte ihn, warum er sich so um mich kümmerte. Er sagte, als er mich so daliegen gesehen habe, die Hand zuckend auf der Hosentasche, da habe er gewusst, dass ich Asthmatiker bin, genau wie er, ebenso abhängig von seinem Spray. Er hat meins dann tatsächlich gefunden und mir in den Mund gesprüht.
    Als er mich inhalieren sah, da habe er plötzlich wissen wollen, wie ich als Leidensgenosse so mit dem Medikament zurechtkam.
    »Wozu?«, fragte ich.
    »Wollte wissen, ob dir die Leute um dich herum irgendwie anders vorkommen als du.«
    »Klar sind sie anders. Sie haben kein Asthma.«
    »Sie sind glücklich?«
    Die Frage elektrisierte mich. Nicht, dass ich unglücklich gewesen wäre. Seit fünf Jahren war ich mit Miaomiao zusammen und es ging uns gut miteinander. Sie sprach nicht mehr, aber deswegen waren wir noch lange nicht unglücklich. Doch in den letzten zwei Jahren waren mir die Leute, denen ich begegnet bin, irgendwie verändert vorgekommen. Ich konnte es nicht genau festmachen, aber eines war sicher: Sie schienen allesamt ausgesprochen glücklich zu sein. Im Grunde war ich es, der sich deswegen anders vorkam. Ich war zwar glücklich, aber es war eine andere Art Glück.
    Der Mann sah mich gespannt an. Ich nickte.
    Er freute sich, als hätte er im Lotto gewonnen. Dann blickte er sich vorsichtig nach allen Seiten um, als befürchtete er, jemand könnte uns beobachten.
    Er rückte etwas näher heran und

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