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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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sagte: »Endlich habe ich die Antwort! Es ist unser Asthmaspray. Deswegen werden wir nicht high, so wie alle anderen. Das ist unser Geheimnis!«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.
    »Niemand um dich herum erinnert sich an diesen einen Monat, nicht wahr?«
    »Welchen Monat?«
    »Na, den nach dem Beginn der Feuer-und-Eis-Periode.«
    Ich verstand noch immer nicht.
    »Diese beiden Ereignisse gingen nicht einfach ineinander über, so wie alle sagen. Es lag ein Monat dazwischen. Um genau zu sein achtundzwanzig Tage, vom ersten Arbeitstag nach Neujahr an gerechnet.«
    Als ich immer noch keine Reaktion zeigte, fuhr er fort: »Wenn du mit jemandem über die Unruhen sprechen willst, die im ganzen Land ausbrachen, über die Panikkäufe, das Einrücken der Armee in die Städte, das harte Vorgehen der Sicherheitsbehörden, die Vogelgrippeimpfung … Niemand erinnert sich daran, stimmt’s?«
    Tatsächlich sprach nie jemand von diesen Ereignissen, dachte ich. Es konnte einem fast so vorkommen, als wären sie nie passiert. Aber ob die Leute sie wirklich komplett vergessen hatten, wusste ich nicht. Ich hatte ja nie jemanden danach gefragt.
    Er deutete mein Schweigen wohl als Verneinung. Mit einem Mal war die Euphorie von eben verflogen und Niedergeschlagenheit machte sich in seinem Gesicht breit. »Du erinnerst dich auch nicht. Ich war zu voreilig, hab es mir zu sehr gewünscht«, sagte er leise.
    »Ich erinnere mich.«
    »Du erinnerst dich?«
    »Ich erinnere mich an alles, was damals passiert ist.«
    Noch lag Misstrauen in seinem Blick.
    »Wir haben Hunde- und Katzenfutter gehortet und uns während der Anti-Kriminalitätskampagne im Haus verschanzt …«
    »Dem Himmel sei dank! Endlich habe ich einen Bruder im Geiste gefunden! Wie ist dein Name?«
    »Ich heiße Zhang Dou.«
    »Bruder Zhang, du kannst mich Fang nennen. Ab jetzt sind wir Brüder. Ich werde noch brüderlicher zu dir sein als zu einem echten Bruder, denn außer mir du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der sich an den fraglichen Monat erinnert. Du darfst niemals vergessen. Zusammen müssen wir diesen Monat wieder in die Köpfe der Menschen zurückholen!«
    Er hat uns gerettet. Mich, dich, Miaomiao, und die Tiere. Ich hätte alles getan, was er wollte. Ebenso, wie ich für dich alles tun würde, Miaomiao. Niemand war je so gut zu mir wie du. Das werde ich dir nie vergessen!

Wei Guo
    Ich bin Wei Guo, vierundzwanzig.
    Es ist schon lange her, dass ich Tagebuch geschrieben habe, aber dieser historische Tag muss für die Nachwelt festgehalten werden.
    Heute bin ich meinem Lebensziel einen Schritt näher gekommen, denn seit heute bin ich offiziell Mitglied des Doppel-S-Studienzirkels. Es erfüllt mich mit Stolz, das jüngste Mitglied dieser Gruppe zu sein.
    Doppel-S vereint Wissenschaft, Politik und Wirtschaft und setzt sich zusammen aus Offiziellen der Ministerialebene, der Kommandanturebene der Armee, der Führungsriege der staatlichen Großkonzerne und Investmentfonds sowie Topmanagern der Fortune One Hundred. Hinzu kommen noch ein paar Dekane und Professoren der Akademie für Sozialwissenschaften und verschiedener Elite-Universitäten. Wir haben direkte Verbindungen bis nach ganz oben.
    Wir sind keine Bücher fressenden Fachidioten, wir beschäftigen uns mit Politik und Recht, mit Machtstrategien und Staatskunst. Unser Motto lautet: »Wissen und Mut vereint« – wir stehen für Kriegergeist, für Heldentum und Männlichkeit. Wir sind eine Gemeinschaft von Menschen mit Sendungsbewusstsein. In einer Zeit, die der Mittelmäßigkeit anheimzufallen droht, einer Zeit ohne jegliches Ehrgefühl, haben wir den Mut zu erkennen: Wir sind die wahre geistige Elite des Goldenen Chinesischen Zeit-alters!
    Nicht alle unsere Mitglieder sind Kinder der Revolution – es gibt ein paar mit zivilem oder intellektuellem Hintergrund –, aber zum überwiegenden Teil schon. Meine Herkunft als Enkel eines Richters der Republik, der in einer Wohnsiedlung für Gerichtsangehörige aufgewachsen ist, ist hier eher unspektakulär.
    Ich bin meinen Professoren, X, Y und Z – vor allem Professor X – zu Dank verpflichtet, denn sie haben mich vor einem Jahr als Anwärter vorgeschlagen, und nur so konnte ich heute zum Vollmitglied aufsteigen. Professor X rühmt sich oft damit, mich entdeckt und gefördert zu haben. Soll er das von mir aus ruhig glauben. In Wirklichkeit habe ich mir schon im ersten Jahr an der Uni alle Professoren genau angesehen und analysiert, wer von ihnen die größte

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