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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koonchung Chan
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Sekretärin anrufen und das Sicherheitssystem in Bewegung setzen, man wird die Videoaufzeichnungen der Verkehrskameras durchgehen und wahrscheinlich auch den dicken Polizisten befragen, der uns gesehen hat. Dann wird man mich überprüfen und ich werde mir schon beim ersten Verhör vor Angst in die Hosen machen und alles ausspucken. Wir sind geliefert, glaubt mir.«
    Alle verstummten, jeder suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Schließlich meldete sich Fang Caodi zu Wort: »Ihn kaltstellen, auf dass er für immer schweigt …« – die anderen drei hielten die Luft an – »… So etwas mache ich nicht!« Allgemeines Aufatmen ringsum. »Es war meine Idee, also stehe ich auch dafür gerade. Ihr steigt aus, ich fahre mit ihm nach Süden und stelle der Regierung eine Lösegeldforderung, um sie abzulenken. Ihr steigt am besten hier aus. Lass mir nur die Flasche mit dem Betäubungsmittel da, Zhang Dou.«
    »Kommt nicht in Frage«, bremste Xiaoxi ihn.
    »Mein armseliges Leben ist ohnehin nichts wert, was spricht also dagegen? Herr Chen, was sagen Sie?«
    »Fang, es klingt vielleicht fies, aber selbst wenn du dir kurz vor deiner Ergreifung eine Kugel in den Kopf jagst, löst das nicht unser Problem. Es wussten nur einige wenige Menschen, wo He Dongsheng sich heute Nacht aufhalten würde. Man wird mich überprüfen und ich mache mir keine Illusionen darüber, dass ich ein schmerzempfindlicher Feigling bin. Wenn sie mich holen, werde ich singen wie ein Vogel. Daran würde dein Opfer nicht das Geringste ändern. Wir wären trotzdem geliefert.«
    Chen wandte sich an Zhang Dou: »Wie viel Zeit bleibt uns noch, bis er aufwacht?«
    Zhang Dou sah auf die Uhr. »Mindestens noch neunzig Minuten. Ich könnte ihm noch mehr verpassen …«
    »So wie es um uns steht, hilft uns Hektik auch nicht weiter«, sagte Chen. »Es bleibt noch etwas Zeit, lasst mich erst mal nachdenken.«
***
    Als Chen im Auto verschiedene Möglichkeiten durchging, wie er sie aus der Schusslinie bringen könnte, fiel ihm ein Kniff ein, den er in seinem Krimi Der dreizehnte Mond angewandt hatte: Gemeinsam leben oder zusammen sterben. Doch noch war er selbst nicht überzeugt. War es nicht völlig albern, in der Realität, wo es um Leben und Tod ging, auf einen Trick aus einem Roman zu vertrauen? Aber was blieb ihnen sonst noch übrig?
    Zurück bei Miaomiao setzte sich Chen allein in eine Ecke und gab kein Wort von sich. Er schloss die Augen. Er sah vor seinem inneren Auge sein Lebenswerk vernichtet, seinen Ruf ruiniert, sein Glück verflogen, sah die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins, sich selbst in einer Gefängniszelle, auf dem Hinrichtungsplatz. Seine Hände zitterten, der kalte Schweiß brach ihm aus. Doch ein ums andere Mal zwang er sich zurück ins Hier und Jetzt, spielte in Gedanken immer wieder seinen Plan durch. In der Theorie ging er auf – in der Praxis konnte Chen jedoch für nichts garantieren.
    Die Gedankenspiele kosteten Chen viel Kraft, aber er wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb. Er musste eine Entscheidung treffen. Nicht nur sein Leben hing davon ab.
    Zhang Dou und Fang Caodi trugen He Dongsheng ins Haus und banden ihn auf einem Stuhl fest, den sie zuvor am Boden fixiert hatten. Sie schalteten die Kamera ein, die ihr Bild über ein langes Kabel in den Nebenraum übertrug, wo alle sich versammelten und ihren Gefangenen beobachteten, der nun jeden Moment wieder zu sich kommen würde.
    Xiaoxi setzte sich Chen gegenüber und nahm seine Hände in die ihren. Er blickte sie an, und mit einem Mal fühlte er eine große Ruhe. Er spürte plötzlich: Bei irgendeinem unfähigen Parteibonzen angewandt, hätte sein Plan kaum Aussicht auf Erfolg; bei He Dongsheng jedoch gab es eine hauchdünne Chance. Er war intelligent und sicher schlau genug, um bei diesem Spiel mitzuspielen. Chen fasste seinen Entschluss. Er würde es drauf ankommen lassen.
    Fang Caodi stellte sich neben ihn. Mit ernster Miene sagte er: »Herr Chen, wie auch immer Sie entscheiden, wir folgen Ihnen. Ich hab so ein Gefühl, dass wir noch einmal heil davonkommen werden.«
    »Er ist aufgewacht?«, fragte Chen.
    »Ja.«
    »Sind die Kameras eingeschaltet und die Computer online, sodass wir das Bild jederzeit rausschicken können?«
    Vom Überwachungsmonitor her antwortete Zhang Dou: »Eine Kamera, ein MP3-Recorder, zwei Computer, alle vernetzt und drahtlos per Breitbandleitung mit dem Web verbunden, dazu drei Kamerahandys, die auf Herrn He gerichtet sind. Ich brauche bloß einen Knopf

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