Die fetten Jahre
dreißig Jahren Reformpolitik und mehreren großen Richtungskämpfen zu – tatsächlich war er mit seinen Gedanken jedoch wieder bei Xiaoxi, die er gerade einmal zwei Tage nicht gesehen hatte. He Dongsheng schloss mit dem Satz: »Schmeißfliegen gibt es immer, aber wir können nicht wegen ein paar Fliegen aufs Essen verzichten!« Dann versank er in Schweigen und die drei Männer nippten stumm an ihrem Wein, bis es bald Mitternacht war und He Dongsheng aufstand, um zur Toilette zu gehen. Als er wiederkam, fragte er Chen, wie schon zuvor, ob er ihn nach Hause bringen könne. Chen wollte ihn nicht wieder auf eine seiner nächtlichen Spritztouren begleiten, deshalb überlegte er kurz und lehnte das Angebot schließlich dankend ab.
Nachdem He Dongsheng gegangen war, blieb Chen noch eine Weile sitzen und hörte Jian Lin zu, der von einer Weinauktion in London erzählte, auf der er persönlich ein paar Kisten Burgunder ersteigern wollte. Als er sich ausreichend vergewissert hatte, dass Jian Lin gut über Wen Lan hinweggekommen zu sein schien, machte auch er sich auf den Nachhauseweg. »Bye bye Ihnen dann!«, rief Jian Lin ihm zum Abschied nach.
Er durfte morgen nicht vergessen, das große Paket Haferflocken aus seiner Wohnung im Happy Village II einzupacken, bevor er wieder raus zu Miaomiao und Zhang Dou fuhr, dachte Chen, während er durch die nächtliche Siedlung ging.
***
Es war eine milde Frühsommernacht. Chen fühlte sich blendend, sein Glücksgefühl war wieder zurückgekehrt. Er verließ die Siedlung, in der Jian Lin wohnte, bog um die Ecke und war gerade an der Hauptverkehrsstraße angelangt, als ein schwarzer Geländewagen von hinten angebraust kam, mit quietschenden Reifen neben ihm hielt, und ihm damit einen gehörigen Schreck einjagte. Es kam ihm so vor, als sei es He Dongshengs Wagen, aber auf dem Fahrersitz saß Fang Caodi, dahinter Xiaoxi und Zhang Dou. Die drei winkten ihn eilig heran.
»Steig ein! Steig ein!«, riefen sie. Unwillkürlich öffnete Chen die Beifahrertür und fragte verwundert: »Wessen Auto ist das denn?«
»Steig ein!«, riefen die drei wie aus einem Mund. Chen verstand immer noch nicht, was eigentlich los war. Er hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, da trat Fang Caodi auch schon aufs Gas.
Chen sah sich um. »Ist das nicht He Dongshengs Auto? Wie …«
Er drehte sich zu Xiaoxi und Zhang Dou um, die auf der Rückbank saßen, als er einer Gestalt gewahr wurde, die reglos zu ihren Füßen lag. Der Anblick verschlug ihm die Sprache.
»Chen, beruhig dich, es geht ihm gut. Wir haben für alles gesorgt«, sagte Xiaoxi.
»Das Betäubungsmittel ist völlig unschädlich«, sagte Zhang Dou, »unsere Katzen und Hunde vertragen es ohne Probleme. Er hat nach dem Aufwachen höchstens ein paar Stunden Kopfschmerzen.«
Vom Fahrersitz aus mischte sich Fang Caodi ein: »Er ist für mindestens zwei Stunden ausgeschaltet. Bekommt kein Wörtchen von dem mit, was wir reden. Hab das Mittel selbst ausprobiert, war über zwei Stunden weg. Auf das Zeug ist Verlass.«
Fassungslos und starr vor Angst blickte Chen auf den am Boden liegenden He Dongsheng: »Seid ihr völlig verrückt geworden?!«
»Wir tun ihm doch nichts, wir wollen ihm bloß ein paar Fragen stellen«, sagte Xiaoxi.
»Wenn wir fertig sind, lassen wir ihn sofort wieder frei«, ergänzte Fang Caodi.
Chen packte die Verzweiflung: »Ihr seid wirklich nicht ganz bei Trost! Wir sind geliefert, verdammt! Wir sind geliefert!«
Plötzlich fluchte auch Fang Caodi: »Mist! Wir haben ein Problem!«
Chen blickte nach vorne. Ein paar Meter vor ihnen hatte die Polizei eine Verkehrskontrolle eingerichtet. Kraftlos sank er im Sitz zusammen: »Wir sind wirklich geliefert.«
»Haltet euch fest …«, sagte Fang Caodi – so, als wolle er die Flucht nach Vorn ergreifen.
In diesem Moment sah Chen, wie ein dicklicher Polizist eilig auf seine Kollegen zulief. Es war derselbe, der He Dongsheng schon letzten Monat angehalten hatte. Chen griff Fang Caodis Arm und zischte: »Warte! Fahr langsam. Mach keinen Unsinn.«
Und tatsächlich: Der dicke Polizist hielt seine Kollegen davon ab, den Wagen anzuhalten, und winkte sie durch. »Langsam weiterfahren und ganz langsam beschleunigen«, wies Chen Fang Caodi an. Als sie die Sperre passierten, sah Chen aus dem Augenwinkel, wie der dicke Polizist dem Wagen salutierte.
Chen stieß erleichtert die Luft aus. Die drei anderen atmeten ebenfalls kräftig durch.
»Gerade noch mal gut gegangen!«, sagte Zhang
Weitere Kostenlose Bücher