Die Feuer des Himmels
kann es mir nicht leisten, auf irgendeine Weise aufzufallen. Ihr habt Glück gehabt, daß ich Euch nicht wirklich an Susus Stelle für ein oder zwei Lieder auf den Tisch geholt habe! Und achtet gefälligst auf Eure Manieren, wenn Ihr mit mir sprecht!« Sie hob drohend eine breite, schwielige Hand. »Ich habe verheiratete Töchter, die älter sind als Ihr, und wenn ich sie besuche, benehmen sie sich anständig und korrekt. Wenn Ihr bei mir die Frau Schnippisch spielen wollt, dann werdet Ihr einiges lernen müssen. Niemand dort draußen wird Euch hören, wenn Ihr jault, und wenn, dann würden sie trotzdem nicht eingreifen.« Mit einem scharfen Nicken, als sei damit alles Notwendige gesagt, stemmte sie wieder die Fäuste in die Hüften. »Also, was wollt Ihr?«
Mehrmals hatte Siuan in die Gardinenpredigt eingreifen wollen, doch die Frau überrollte sie einfach wie eine Flutwelle. An so etwas war sie nicht gewöhnt. Als Frau Tharne ausgesprochen hatte, bebte sie vor Zorn. Beide Hände hatte sie so in ihren Rock verkrampft, daß die Knöchel vor Anstrengung weiß waren. Sie bemühte sich, so sehr sie nur konnte, an sich zu halten und nicht selbst loszulegen. Sie nimmt ja von mir an, ich sei lediglich eine andere Agentin, sagte sie sich entschlossen. Nicht mehr die Amyrlin, sondern nur eine andere Agentin. Außerdem hegte sie den Verdacht, die Frau könne wirklich ihre Drohung wahrmachen. Auch das war ihr eine vollkommen neue Erfahrung, daß sie sich vor jemandem in acht nehmen mußte, weil die größer und stärker war.
»Man gab mir eine Nachricht für eine Versammlung derjenigen mit, denen wir dienen.« Sie hoffte, Frau Tharne werde die sichtliche Anspannung in ihrem Tonfall als Ängstlichkeit oder Demut deuten, nachdem sie so von ihr heruntergeputzt worden war. Die Frau war ihr vielleicht eher behilflich, wenn sie glaubte, Siuan ordentlich eingeschüchtert zu haben. »Sie befanden sich aber nicht dort, wo ich sie antreffen sollte. Ich kann nur hoffen, daß Ihr etwas wißt, was mir hilft, sie zu finden.«
Frau Tharne verschränkte die Arme unter einem mächtigen Busen und musterte sie. »Ihr wißt also doch, Euch zu beherrschen, wenn es besser ist, eh? Gut. Was ist in der Burg eigentlich geschehen? Und versucht gar nicht erst, zu verleugnen, daß Ihr von dort kommt, mein feines, stolzes Frauenzimmer. Euch steht das Wort Kurier aufs Gesicht geschrieben, und dieses hochnäsige Getue habt Ihr nicht in einem Dorf gelernt.«
Siuan holte tief Luft, bevor sie antwortete: »Man hat Siuan Sanche einer Dämpfung unterzogen.« Sie war stolz darauf, daß ihre Stimme nicht bebte, als sie das sagte. »Elaida a'Roihan ist die neue Amyrlin.« Das klang nun allerdings doch ein wenig beißend.
Auf Frau Tharnes Gesicht zeigte sich keine Reaktion. »Nun ja, das erklärt einige der Befehle, die ich erhalten habe. Ein paar jedenfalls. Eine Dämpfung also, ja? Ich hatte geglaubt, sie werde für immer und ewig Amyrlin bleiben. Ich habe sie einmal vor Jahren in Caemlyn gesehen. Aus der Entfernung. Sie wirkte, als verspeiste sie Lederriemen zum Frühstück.« Diese unmöglich roten Locken schwangen hin und her, als sie den Kopf schüttelte. »Na ja, das ist nun vorbei. Die Ajah bekämpfen sich jetzt also gegenseitig, oder? Nur so läßt sich das alles erklären -meine Befehle und die Dämpfung dieses alten Geiers. Die Burg ist gespalten, und die Blauen laufen davon.«
Siuan knirschte mit den Zähnen. Sie versuchte mit aller Gewalt, sich einzureden, daß diese Frau den Blauen Ajah gegenüber loyal sei, wenn das auch nicht ihr selbst galt, aber es half nicht. Alter Geier? Sie ist alt genug, um meine Mutter zu sein. Aber wenn sie das wäre, würde ich ins Wasser gehen. Mit Mühe brachte sie es fertig, demütig zu klingen: »Meine Botschaft ist wichtig. Ich muß mich so schnell wie möglich auf den Weg machen. Könnt Ihr mir helfen?«
»Wichtig, ja? Also, das möchte ich ja bezweifeln. Das Dumme ist bloß, daß ich Euch wohl etwas sagen kann, aber die Bedeutung müßt Ihr selber herausfinden. Wollt Ihr es hören?« Die Frau wollte ihr die Sache nicht einfacher machen.
»Ja, bitte!«
»Sallie Daera. Ich weiß nicht, wer sie ist oder war, aber man befahl mir, jeder Blauen, die herkam und verloren wirkte, wenn man so sagen will, diesen Namen zu nennen. Ihr seid vielleicht keine der Schwestern, aber Ihr tragt die Nase hoch genug dafür, also sollt Ihr es wissen. Sallie Daera. Macht daraus, was Ihr wollt.«
Siuan unterdrückte einen Schauer der
Weitere Kostenlose Bücher