Die Feuer des Himmels
trafen?« Es war nicht notwendig, zu erwähnen, wen sie meinte.
»Zu viele. Lanfear befindet sich natürlich oft in
Tel'aran'rhiod, aber ich habe auch Rahvin, Sammael und Graendal gesehen. Demandred. Und Semirhage.« Bei der Erwähnung des letzten Namens klang Birgittes Stimme ausgesprochen nervös. Selbst Moghedien, die sie haßte, ließ bei ihr äußerlich keine Angst aufkommen, doch Semirhage war ein anderer Fall.
Auch Nynaeve schauderte. Die goldhaarige Frau hatte ihr schon zuviel über diese Verlorene erzählt. Dann wurde ihr bewußt, daß sie plötzlich einen dicken Wollumhang trug und eine tiefe Kapuze über den Kopf gezogen hatte, um ihr Gesicht zu verbergen. Errötend ließ sie sie verschwinden.
»Hat Euch keine von ihnen bemerkt?« fragte sie ängstlich. Birgitte war auf viele verschiedene Arten leichter verwundbar als sie, und das trotz ihrer Kenntnisse in bezug auf Tel'aran'rhiod. Sie besaß nicht die Fähigkeit, mit der Macht umzugehen. Jede der Verlorenen konnte sie vernichten, als zertrete sie eine Ameise, ohne auch nur im Schritt innezuhalten. Und sollte sie hier getötet werden, könnte sie auch niemals mehr wiedergeboren werden.
»Ich bin nicht so unerfahren oder töricht, um das zuzulassen.« Birgitte stützte sich auf ihren Silberbogen. Die Legende berichtete, sie verfehle mit diesem Bogen und ihren silbernen Pfeilen niemals ihr Ziel. »Sie beschäftigen sich mit ihren Eifersüchteleien untereinander und achten sonst auf niemanden. Ich habe Rahvin und Sammael gesehen, Graendal und Lanfear, und jeder beobachtete ungesehen die anderen. Und Demandred und Semirhage beschatteten ebenfalls die anderen. Seit ihrer Befreiung habe ich sie allerdings nicht mehr so oft hier gesehen.«
»Sie haben irgend etwas vor.« Nynaeve biß sich frustriert auf die Unterlippe. »Aber was nur?«
»Ich kann es noch nicht sagen, Nynaeve. Im Schattenkrieg haben sie auch immer Pläne geschmiedet, genauso gegeneinander wie miteinander, aber ihr Werk hat noch nie etwas Gutes zu bedeuten gehabt, weder für die Welt der Träume noch für die der Wirklichkeit.«
»Versucht es herauszufinden, Birgitte, jedenfalls soviel Ihr nur in Erfahrung bringen könnt, ohne Euch in Gefahr zu bringen. Riskieren dürft Ihr nichts.« Der Gesichtsausdruck der anderen änderte sich nicht, aber Nynaeve glaubte, in ihren Augen Erheiterung zu entdecken. Diese törichte Frau achtete genausowenig auf Gefahren wie Lan. Sie hätte so gern nach der Weißen Burg gefragt und was Siuan wohl plante, doch Birgitte konnte die wachende Welt weder sehen noch berühren, es sei denn, sie wurde durch das Horn dorthin gerufen. Du versuchst nur, deine eigentliche Frage zu vermeiden! »Habt Ihr Moghedien gesehen?«
»Nein«, seufzte Birgitte, »aber ich habe es oft genug versucht. Normalerweise kann ich jeden finden, der weiß, daß er sich in der Welt der Träume befindet. Da ist so ein Gefühl, als ob sich Wellen durch die Luft ausbreiten. Oder vielleicht von seinem Bewußtsein aus. Ich weiß es einfach nicht. Ich bin Soldatin und keine Gelehrte. Entweder ist sie nicht nach Tel'aran'rhiod gekommen, seit Ihr sie besiegt habt, oder...« Sie zögerte, und Nynaeve wollte sie daran hindern, auszusprechen, was als nächstes kommen mußte, doch Birgitte war zu stark, um vor unangenehmen Möglichkeiten die Augen zu schließen. »Oder sie weiß, daß ich nach ihr Ausschau gehalten habe. Die kann sich sehr gut verbergen. Man nennt sie nicht umsonst die Spinne.« Das war, was im Zeitalter der Legenden eine
Moghedien gewesen war: eine winzige Spinne, die ihr Netz im Verborgenen webte, aber mit einem so giftigen Biß, daß er ein Opfer innerhalb weniger Herzschläge tötete.
Mit einemmal war sich Nynaeve wieder der unsichtbaren Augen nur zu bewußt, und sie schauderte. Es war kein Zittern vor Angst. Nur ein Schaudern, kein Zittern. Trotzdem hielt sie bewußt an dem Taraboner Kleid fest, damit sie sich nicht plötzlich in einer Rüstung wiederfände. Es war schon peinlich genug, wenn ihr so etwas allein passierte, aber unter den kühlen blauen Augen einer so heldenhaften Frau, daß sie Gaidal Cain gleichkam, wäre es noch viel peinlicher.
»Könnt Ihr sie aufspüren, obwohl sie verborgen bleiben will, Birgitte?« Das war mehr als nur eine einfache Bitte, falls Moghedien wußte, daß sie gesucht wurde. Es war, als suche man im hohen Gras nach einem Löwen, obwohl man nur mit einem Stock bewaffnet war.
Birgitte zögerte nicht. »Vielleicht. Ich werde es versuchen.« Sie
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