Die Feuer des Himmels
Welt der Träume, um sie wahrzunehmen, und wenn, dann würden sie sie für einen Teil des eigenen Traums halten.
Es war nur ein kurzer Weg die breite Treppe hoch bis zum Arbeitszimmer der Amyrlin. Als sie sich der Tür näherte, war da plötzlich Elaida vor ihr. Ihr Gesicht schien verschwitzt, sie trug eine blutrote Robe und hatte sich die Stola der Amyrlin um die Schultern gelegt. Nein, es war nur beinahe die der Amyrlin, denn sie wies keinen blauen Streifen auf.
Diese strengen, dunklen Augen richteten sich auf Nynaeve. »Ich bin die Amyrlin, Mädchen! Weißt du nicht, wie man mir Respekt zollt? Ich werde dich...« Mitten im Satz war sie verschwunden.
Nynaeve atmete erleichtert auf. Elaida als Amyrlin, das war tatsächlich ein Alptraum. Vielleicht ist es ihr schönster Wunschtraum, dachte sie trocken. Es wird in Tear schneien, bevor sie jemals so weit kommt.
Der Vorraum war genauso, wie sie ihn in Erinnerung hatte: ein breiter Tisch und ein Stuhl dahinter für die Behüterin der Chronik. An der Wand standen ein paar Stühle für Aes Sedai bereit, die mit der Amyrlin sprechen wollten. Novizinnen und Aufgenommene warteten im Stehen. Die Ordnung, die auf dem Tisch herrschte - ein sauberer Stapel von Papieren, gebundene Schriftrollen und große Pergamentbögen mit Brief und Siegel, alles sauber angeordnet -, sah allerdings Leane nicht ähnlich. Nicht, daß sie unordentlich war, ganz im Gegenteil, aber Nynaeve war der Meinung gewesen, daß sie abends grundsätzlich alles wegräumte und nicht auf dem Tisch liegenließ.
Sie schob die Tür zum inneren Raum auf, doch sie zögerte, ehe sie hineinging. Kein Wunder, daß sie nicht in der Lage gewesen war, sich hier hereinzuträumen. Der Raum glich nicht mehr dem, an den sie sich erinnerte. Dieser schwere, kunstvoll geschnitzte Tisch mit dem hohen, thronähnlichen Stuhl dahinter! Die Hocker mit ihren in Form von Reben geschnitzten Beinen, die in einem perfekten Halbkreis vor dem Tisch standen, keiner auch nur um eine Handbreit verschoben! Siuan Sanche bevorzugte einfache Möbel, als gebe sie vor, immer noch nur die Tochter eines Fischers zu sein, und sie hatte nur einen einzigen Stuhl ins Zimmer gestellt, den sie keineswegs immer Besuchern anbot. Und dann diese weiße Vase mit Rosen darin, die wie ein Denkmal auf einem Sockel stand! Siuan mochte Blumen, aber sie bevorzugte bunte Sträuße, bunt wie eine Wiese mit all den wild wachsenden Blumen. Über dem Kamin hatte eine einfache Zeichnung gehangen, die Fischerboote im hohen Schilf zeigte. Nun hingen dort zwei Gemälde, von denen Nynaeve eines erkannte: Rand, wie er gegen den Verlorenen kämpfte, der sich Ba'alzamon genannt hatte, hoch droben in den Wolken über Falme. Das andere Gemälde bestand aus drei Holztafeln. Sie konnte sich nicht erinnern, die darauf dargestellten Szenen jemals gesehen oder von ihnen gehört zu haben.
Die Tür öffnete sich, und Nynaeve erschrak fast zu Tode. Eine rothaarige Aufgenommene, die sie noch nie gesehen hatte, trat ein und sah sie an. Sie verschwand keineswegs wieder. Gerade, als Nynaeve sich entschloß, in Sheriams Arbeitszimmer zurückzuspringen, sagte die rothaarige Frau: »Nynaeve, wenn Melaine wüßte, daß du ihr Gesicht benützt, würde sie mehr anstellen, als dich nur in ein Kinderkleid zu stecken!« Und genauso plötzlich war sie Egwene in ihrer Aielkleidung.
»Du hast mich so erschreckt, daß ich beinahe zehn Jahre älter geworden wäre«, knurrte Nynaeve. »Haben sich die Weisen Frauen endlich entschlossen, dich kommen und gehen zu lassen, wie es dir paßt? Oder steckt Melaine dahin... «
»Du solltest auch Angst bekommen«, fauchte Egwene, und ihre Wangen verfärbten sich. »Du bist doch wohl närrisch, Nynaeve! Ein Kind, das in der Scheune mit einer brennenden Kerze spielt!«
Nynaeve blieb der Mund offen stehen. Egwene schalt sie? »Hör mal her, Egwene al'Vere! Das lasse ich mir nicht von Melaine sagen, und von dir schon...«
»Du solltest es dir aber von irgend jemandem sagen lassen, bevor du dich selbst umbringst in deinem Leichtsinn!«
»Ich... «
»Ich sollte dir diesen Steinring wegnehmen! Ich hätte ihn Elayne geben und ihr sagen sollen, daß sie ihn dir auf keinen Fall überlassen darf!«
»Elayne sagen, daß...!«
»Glaubst du etwa, Melaine habe übertrieben?« fragte Egwene streng und hob mahnend ihren Finger, beinahe so wie Melaine. »Hat sie nicht, Nynaeve. Die Weisen Frauen haben dir immer wieder nichts als die Wahrheit über Tel'aran'rhiod gesagt, aber
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