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Die Feuer des Himmels

Die Feuer des Himmels

Titel: Die Feuer des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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du hältst sie anscheinend für vollkommene Närrinnen. Du solltest eigentlich eine erwachsene Frau sein und kein dummes kleines Kind. Ich schwöre dir, was immer du einst an Vernunft besessen hast, scheint mittlerweile verpufft zu sein! Du solltest dich schleunigst wieder besinnen, Nynaeve!« Sie schnaubte laut und rückte den Schal um ihre Schultern zurecht. »Gerade jetzt versuchst du, mit den hübschen Flammen im Kamin zu spielen, zu töricht, um zu erkennen, daß du dir die Finger verbrennen könntest.«
    Nynaeve starrte sie verblüfft an. Sie stritten sich ja oft genug, aber Egwene hatte sie noch nie behandelt wie ein kleines Mädchen, das man gerade mit den Fingern im Honigtopf erwischt hat. Nie! Das Kleid. Es mußte daran liegen, daß sie das Kleid einer Aufgenommenen trug und das Gesicht einer anderen. Sie änderte alles schnell ab und wurde wieder sie selbst, angetan mit einem blauen Wollkleid, das sie oft bei Zusammenkünften des Frauenzirkels getragen hatte und im Gemeinderat, wenn sie den Männern kräftig den Kopf wusch. So fühlte sie sich in all ihre frühere Autorität als Seherin gehüllt. »Es ist mir durchaus klar, was ich alles nicht weiß«, sagte sie beherrscht, »doch diese Aiel... «
    »Ist dir eigentlich klar, daß du dich in etwas hineinträumen kannst, aus dem du nicht mehr entkommst? Hier sind die Träume wirklich. Wenn du dich in einen Wunschtraum hineintreiben läßt, kann er dir zur Falle werden. Du würdest dich selbst in die Falle locken. Solange, bis du stirbst.«
    »Würdest du...?«
    »Es gibt lebendige Alpträume in Tel'aran'rhiod, Nynaeve!«
    »Würdest du mich bitte zu Wort kommen lassen?« fauchte Nynaeve. Oder vielmehr, sie bemühte sich, die Worte zu fauchen. Doch es klang viel zu sehr wie eine demütige Bitte, um ihr zu gefallen. Nichts lag ihr ferner, als zu betteln.
    »Nein, würde ich nicht«, sagte Egwene ganz entschieden. »Solange nicht, bis du etwas zu sagen hast, was es wert ist zu hören. Ich sprach von Alpträumen, und ich meinte damit Alpträume, Nynaeve! Wenn jemand einen Alptraum hat, während er oder sie sich in Tel'aran'rhiod befindet, dann wird er hier zur Realität. Und manchmal bleibt er bestehen, obwohl der Träumer längst weg ist. Das ist dir nicht klargewesen, oder?«
    Mit einemmal packten grobe Hände Nynaeve an den Armen. Ihr Kopf schlug von einer Seite zur anderen, und die Augen quollen ihr heraus. Zwei riesige, zerlumpte Männer hoben sie empor. Ihre Gesichter waren Fratzen rohen Fleisches, und die triefenden Mäuler wiesen Reihen spitzer gelber Zähne auf. Sie versuchte, die beiden verschwinden zu lassen. Wenn das eine Traumgängerin der Weisen Frauen konnte, konnte sie es auch - und einer von ihnen riß ihr das Kleid vorne von oben bis unten wie Papier auf. Der andere nahm ihr Kinn in eine schwielige, mit Hornhaut überzogene Hand und drehte ihr Gesicht mit Gewalt zu sich herum. Sein Kopf neigte sich ihr zu, und er öffnete den Mund. Sie wußte nicht, ob er sie küssen oder beißen wolle, doch sie wollte lieber sterben, als eines von beiden zulassen. Sie griff nach Saidar und fand nichts. Panische Angst erfüllte sie statt des notwendigen Zorns. Scharfe Fingernägel bohrten sich in ihre Wangen und hielten ihren Kopf fest. Irgendwie war Egwene dafür verantwortlich. »Bitte, Egwene!« Es kam wie ein verängstigtes Quieken heraus, doch sie war so sehr von Furcht erfüllt, daß ihr das gleichgültig war. »Bitte!«
    Die Männer - Kreaturen - verschwanden, und ihre Füße trafen auf dem Boden auf. Einen Moment lang konnte sie nur dastehen, schaudern und schluchzen. Dann zog sie hastig ihr Kleid wieder zurecht, doch die Kratzer von den langen Fingernägeln blieben auf ihren Wangen und über den Brüsten. Kleidung konnte man in Tel'aran'rhiod problemlos reparieren, aber was auch immer einem Menschen selbst geschah... Ihre Knie zitterten so stark, daß sie alle Kraft benötigte, um wenigstens auf den Beinen zu bleiben.
    Sie erwartete beinahe von Egwene, daß sie sie trösten werde, und diesmal wäre sie darüber mehr als nur froh gewesen. Aber die andere sagte lediglich: »Es gibt Schlimmeres hier, doch die Alpträume sind schon schlimm genug. Ich habe die beiden erschaffen und wieder verschwinden lassen, aber selbst ich habe meine Schwierigkeiten mit jenen, die ich bereits hier vorfinde. Und ich habe nicht versucht, die beiden zu halten, Nynaeve. Hättest du gewußt, wie man sie wieder los wird, dann hättest du das jederzeit tun können.«
    Nynaeve

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