Die Feuer des Himmels
Straße. Nicht, daß die Soldaten, die ein weiteres Fünftel der Passanten ausmachten, besser gewesen wären. Natürlich kam keiner von ihnen auf den Gedanken, unter ihren Hut zu spähen. Aes Sedai waren hier nun einmal geächtet, und das bedeutete, es gab hier keine.
Trotzdem fühlte sie sich etwas erleichtert, als sie an dem kunstvollen schmiedeeisernen Tor vor Jorin Arenes Haus einbog. Ein weiterer erfolgloser Ritt auf der Suche nach Neuigkeiten aus der Weißen Burg. Sie hatte nichts mehr in Erfahrung bringen können, seit Elaida glaubte, die Herrschaft in der Burg erlangt zu haben, und seit man diese Sanchefrau beseitigt hatte. Sicher, Siuan war entkommen, aber jetzt war sie ein nutzloser Haufen Lumpen.
Der Garten hinter der grauen Steinmauer stand voller Pflanzen, die sich auf Grund der Dürre braun färbten. Sie waren wunderschön zurechtgeschnitten in Form von Würfeln und Kugeln, und ein Busch war sogar wie ein galoppierendes Pferd geformt. Nur einer natürlich. Kaufleute wie Arene imitierten häufig den Adel, aber sie wagten nicht, dabei zu weit zu gehen, damit niemand auf den Einfall kam, sie seien überehrgeizig und vielleicht gefährlich. An dem großen Holzhaus waren kunstvolle Balkone angebaut. Das Dach war mit roten Ziegeln gedeckt, und im Eingangsbereich stand sogar eine Reihe behauener Säulen, doch anders als in einem adligen Herrenhaus wirkte alles wie eine Kopie. Das Steinfundament war dementsprechend auch kaum zehn Fuß hoch. Ein lächerlicher Versuch, es wie das Herrenhaus eines Adligen erscheinen zu lassen.
Der drahtige, grauhaarige Mann, der unterwürfig heraneilte, ihren Steigbügel hielt, während sie abstieg, und dann die Zügel übernahm, war ganz in Schwarz gekleidet. Solche Kleidung wurde von den Menschen auf der Straße naserümpfend als ›Kaufmannslivree‹ bezeichnet. Liandrin verachtete den schwarzen Mantel des Burschen genauso wie Arenes Haus und Arene selbst. Eines Tages würde sie ein wirkliches Herrenhaus besitzen. Ganze Paläste. Das war ihr versprochen worden und auch die Macht, die so etwas mit sich brachte.
Sie streifte die Reithandschuhe ab und schritt die lächerliche Rampe hinauf, die sich entlang des Fundaments bis zum rankenbeschnitzten Tor hinzog. Die befestigten Herrenhäuser der Lords wiesen solche Rampen auf, und da konnte sich ja ein Kaufmann, der etwas auf sich hielt, nicht mit bloßen Stufen zufriedengeben. Eine in Schwarz gekleidete junge Zofe nahm ihr im runden Foyer Handschuhe und Hut ab. Viele Türen führten von hier ins Haus hinein, die Säulen waren prächtig geschnitzt und bunt bemalt, und rundherum zog sich ein Balkon. Die Decke war einem Mosaik ähnlich bemalt: Sterne innerhalb größerer Sterne, alle in Gold und Schwarz. »Ich werde in einer Stunde mein Bad nehmen«, sagte sie zu der Frau. »Diesmal wird das Wasser aber die richtige Temperatur haben, ja?« Die Zofe wurde blaß, knickste schnell, stammelte etwas Bestätigendes, und dann huschte sie davon.
Amellia Arene, Jorins Frau, kam, in die Unterhaltung mit einem fetten Glatzkopf in blütenweißer Schürze vertieft, durch eine der Türen herein. Liandrin schnaubte verächtlich. Die Frau hielt sich für etwas Besseres, und doch sprach sie persönlich mit dem Koch und brachte den Mann aus seiner Küche mit hierher, um über die Speisenfolge am Tisch zu sprechen. Sie behandelte den Dienstboten wie - wie einen Freund!
Der fette Evon entdeckte sie zuerst und schluckte schwer. Seine Schweinsäugelchen blickten sofort in eine andere Richtung. Sie mochte es nicht, von Männern angesehen zu werden, und so hatte sie ihm das bereits am ersten Tag in scharfem Ton erklärt, nachdem sein Blick etwas zu lange auf ihr geruht hatte. Er bestritt das zwar, aber sie kannte ja die schmutzigen Angewohnheiten der Männer. Ohne darauf zu warten, daß ihn seine Herrin entließ, lief Evon schnell wieder hinaus.
Die leicht ergraute Gattin des Kaufmanns war schon eine Frau mit strengem, ernstem Gesicht gewesen, als Liandrin und die anderen hier eintrafen. Nun leckte sie sich die Lippen und strich sich das mit Schleifen verzierte grünseidene Kleid überflüssigerweise glatt. »Oben ist jemand bei den anderen, meine Lady«, sagte sie unterwürfig. Am ersten Tag hatte sie noch geglaubt, sie könne so einfach Liandrins Namen benutzen. »Im vorderen Ruheraum. Ich glaube, sie kommt aus Tar Valon.«
Liandrin fragte sich, wer das sein könne, und ging zur nächsten Wendeltreppe. Sie kannte natürlich nur wenige der anderen
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