Die Feuer des Himmels
langes Zögern zu ihren Zelten zurückzukehren. Sie kannten einfach keine Scham; daran lag es. Kein bißchen Schamgefühl. Sie schien noch nicht einmal die Kälte zu spüren, obwohl der Atem wie Nebel vor ihrem Mund stand. Er war genauso verschwitzt wie sie, und nun fror er gewaltig, da seine Gedanken nicht mehr dadurch abgelenkt wurden, daß er um sein Leben kämpfen mußte.
»Das habe ich mal gehört«, sagte er zu ihr. »Der Klang hat mir gefallen.« Carai an Caldazar! ›Zur Ehre des Roten Adlers. ‹ Der Schlachtruf von Manetheren. Die meisten seiner Erinnerungen stammten aus Manetheren. Ein paar davon hatte er bereits gekannt, bevor er diesen verdrehten Türrahmen durchschritten hatte. Moiraine behauptete, das Alte Blut spräche aus ihm. Nun, solange es nicht aus seinen Adern drang...
Sie legte ihm einen Arm um die Schultern, als er zum Zelt zurückging. »Ich habe dich mit dem Nachtläufer zusammen gesehen, Mat Cauthon.« Das war eine der Aielbezeichnungen für die Myrddraal. »Du bist so groß, wie es einem Mann geziemt.«
Grinsend legte er einen Arm um ihre Taille, doch er konnte den Angriff nicht vergessen. Er wollte schon, da seine Gedanken viel zu sehr in den geborgten Erinnerungen verstrickt waren, aber er konnte nicht. Wieso hatte jemand einen solch hoffnungslosen Angriff gestartet? Niemand außer einem Narren griff ohne Grund eine so offensichtliche Übermacht an. Diesen Gedanken wurde er einfach nicht los. Niemand griff grundlos an.
Das Vogelgezwitscher riß Rand augenblicklich aus dem Schlaf, und noch als er die Decken zur Seite schlug und ohne Mantel in Strümpfen hinauslief, griff er nach Saidin. Die Nacht war kalt, und der Mond schien hell. Schwacher Kampfeslärm drang von den Hügeln unterhalb des Passes an seine Ohren. Rund um ihn liefen die Aiel wie in einem aufgescheuchten Ameisenhaufen durcheinander und eilten dann in die Nacht hinaus, dorthin, wo hier auf dem Paß ein Angriff erfolgen konnte. Das Wachgewebe würde wieder Alarm geben - diesmal würde ein Blaufink rufen, falls auf dem Paß Schattenwesen auftauchten -, bis er es morgens wieder auflöste, aber es gab keinen Grund, irgendein törichtes Risiko einzugehen.
Bald war es auf dem Paß wieder ruhig. Die Gai'schain befanden sich in den Zelten, denn selbst jetzt war ihnen das Führen von Waffen verboten, und die anderen Aiel lauerten an den Orten, die möglicherweise verteidigt werden mußten. Sogar Adelin und die übrigen Töchter waren weg, als wüßten sie, daß er sie zurückgehalten hätte, falls sie warteten. Er konnte leise Unterhaltungen von den Wagen nahe der Stadtmauer her vernehmen, aber weder die Fahrer noch Kadere zeigten sich. Er erwartete das auch nicht. Der leise Kampfeslärm - Rufe, Todesschreie - kam von zwei Seiten her. Es spielte sich auf jeden Fall weiter unten und ein gutes Stück entfernt ab. Auch vor den Zelten der Weisen Frauen herrschte Durcheinander. Wie es schien, blickten auch diese Aiel in Richtung der Kämpfe.
Ein Angriff dort unten ergab keinen Sinn. Es waren auch nicht die Miagoma, es sei denn, Timolan hätte Schattenwesen in seinen Clan aufgenommen, und das war in etwa so wahrscheinlich wie Trollocs als neue Rekruten der Weißmäntel. Er wandte sich zu seinem Zelt zurück, und trotz der schützenden Hülle des Nichts zuckte er zusammen.
Aviendha war heraus in den Mondschein getreten und hatte sich lediglich eine Decke um den Körper gewickelt. Und ihr gegenüber stand ein hochgewachsener Mann, der ganz in einen dunklen Umhang gehüllt war. Schatten trieben über ein viel zu blasses, hageres Gesicht. Die Augen waren viel zu groß. Ein süßer Gesang erklang, und der Umhang öffnete sich zu breiten, ledrigen Schwingen wie denen einer Fledermaus. Aviendha bewegte sich wie in Trance und glitt langsam auf die lockende Umarmung zu.
Rand lenkte die Macht, und ein fingerdünner Strahl von Baalsfeuer, ein Pfeil aus flüssigem Licht, stach an ihr vorbei und traf den Draghkar am Kopf. Die Wirkung dieses dünnen Strahls erfolgte langsamer, aber nicht weniger wirkungsvoll als bei den Schattenhunden. Das Geschöpf veränderte seine Farbe, von Schwarz zu Weiß, von Weiß wieder zu Schwarz, und dann löste es sich in schimmernde Lichtflecken auf, die im Mondschein tanzten und vergingen.
Aviendha schüttelte sich, als der Gesang erstarb, und starrte die letzten Lichtpunkte an, bis sie verschwunden waren. Dann wandte sie sich Rand zu und raffte die Decke enger um sich zusammen. Ihre Hand hob sich und ein
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