Die Feuer des Himmels
sich an Sammaels Gesicht. Er war ein Mann - Nicht meine. Es sind nicht meine Erinnerungen! -, ein untersetzter, kräftiger Mann mit kurzem, blondem Bart. Asmodean hatte ihm alle Verlorenen beschrieben, doch ihm war klar, daß dieses Bild in seinem Gedächtnis nichts mit seiner Beschreibung zu tun hatte. Sammael hatte immer größer sein wollen und war frustriert gewesen, daß selbst die Macht das nicht vermochte. Das hatte ihm Asmodean aber nicht gesagt. »Nach allem, was Ihr mir berichtet habt, wird er mich wahrscheinlich nur dann offen bekämpfen, wenn er sich des Sieges gewiß sein kann. Vielleicht noch nicht einmal dann. Ihr sagtet, wenn er könnte, würde er mich wahrscheinlich dem Dunklen König selbst überlassen. Also, warum ist er jetzt so siegessicher; warum will er, daß ich ihn verfolge?«
Sie diskutierten stundenlang in der Dunkelheit, ohne zu klaren Erkenntnissen zu gelangen. Asmodean blieb bei seiner Meinung, es sei einer der anderen gewesen, in der Hoffnung, Rand auf Sammael zu hetzen und damit wenigstens einen oder vielleicht auch beide loszuwerden. Zumindest behauptete Asmodean, er glaube das. Rand spürte immer wieder den fragenden Blick aus den dunklen Augen des Mannes. Seine Worte vorhin waren zu offensichtlich herausgerutscht, als daß er das hätte vertuschen können.
Als er schließlich zu seinem eigenen Zelt zurückkehrte, sprangen Adelin und die anderen Töchter sofort auf. Alle wollten ihm auf einmal mitteilen, daß Egwene weg sei und Aviendha schon lange schlafe, und daß sie zornig auf ihn sei. Daß beide zornig seien. Sie erteilten ihm so viele unterschiedliche Ratschläge, wie man den Zorn der Frauen besänftigen könne, und dazu noch alle gleichzeitig, daß er überhaupt nichts mehr verstand. Schließlich schwiegen sie aber doch, warfen sich bedeutungsschwangere Blicke zu, und schließlich sagte Adelin: »Wir müssen noch über die heutige Nacht sprechen. Über das, was wir taten und was wir versäumten. Wir... «
»Es war gar nichts«, erwiderte er, »und sollte es doch etwas Schlimmes gewesen sein, dann ist es vergeben und vergessen. Ich würde gern zur Abwechslung einmal ein paar Stunden Schlaf genießen. Wenn Ihr weiter darüber reden wollt, dann geht zu Amys oder Bair. Ich bin sicher, sie verstehen viel besser als ich, worauf Ihr hinauswollt.« Das brachte sie überraschenderweise wirklich zum Schweigen, und sie ließen ihn hineingehen.
Aviendha lag unter ihren Decken. Ein schlankes, weißes, unbedecktes Bein ragte heraus. Er bemühte sich, weder das Bein noch sie selbst anzublicken. Sie hatte eine Lampe angelassen. Dankbar schob er sich unter seine Decken und löschte die Lampe mit Hilfe der Macht. Dann ließ er Saidin los. Diesmal träumte er von Aviendha, wie sie Feuer schleuderte, allerdings nicht auf den Draghkar. Sammael saß neben ihr und lachte.
KAPITEL
23
»Euren fünften Teil bekommt Ihr von mir«
E gwene ließ ihre Stute um eine grasbewachsene Anhöhe herumtraben und beobachtete die Ströme von Aiel, die sich vom Jangai-Paß herunterwälzten. Durch den Sattel war ihr Rock wieder bis übers Knie hochgerutscht, aber das bemerkte sie jetzt kaum. Sie konnte ihn nicht jede Minute wieder herunterziehen. Und sie trug ja Strümpfe. Es war nicht so, als zeige sie nackte Beine.
Die Kolonnen der Aiel marschierten in schnellem Schritt unten an ihr vorbei. Sie waren streng nach Clan, Septime und Kriegergemeinschaft geordnet. Tausende und Abertausende kamen dort mit ihren Packpferden und Maultieren entlang; dazu die Gai'schain, die sich um das Lager kümmerten, während die anderen in den Kampf zogen. Das Ganze erstreckte sich über eine Breite von mindestens einer Meile. Weitere Aiel befanden sich noch hinten auf dem Paß oder so weit voraus, daß man sie bereits nicht mehr sehen konnte. Trotz des Fehlens ganzer Familien schien es, als befinde sich ein ganzes Volk auf dem Marsch. Die Straße hier war ein Teil der Seidenstraße gewesen, ganze fünfzig Schritt breit und mit großen, weißen Steinplatten gepflastert. Sie schnitt sich geradewegs zwischen den Hügeln hindurch. Man hatte sogar Hohlwege ausgehoben, damit die Straße gerade und auf einer Ebene verlaufen konnte. Viele Pflastersteine standen nun allerdings schief heraus, hatten sich an einer Ecke gehoben, an einer anderen gesenkt und zeigten deutlich das Alter der Straße. Es war bestimmt länger als zwanzig Jahre her, seit diese Straße mehr Verkehr erlebt hatte als die Karren der ortsansässigen Bauern oder
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