Die Feuer des Himmels
Aiel-Wüste.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, und dann sagte Carlinya: »Das ist doch lächerlich.«
Siuan verbiß sich eine zornige Erwiderung und lächelte - wie sie hoffte - entschuldigend. »Vielleicht, aber ich habe einiges über die Aiel nachgelesen, als ich noch Aufgenommene war. Gitara Moroso glaubte, daß einige der Weisen Frauen der Aiel in der Lage sein könnten, die Macht zu benützen.« Gitara war zu der Zeit Behüterin der Chronik gewesen. »In einem der Bücher, die sie mir zu lesen gab, einem alten Band aus der staubigsten Ecke der Bibliothek, wurde behauptet, die Aiel bezeichneten sich selbst als das Volk des Drachen. Ich habe mich nicht mehr daran erinnert, bis ich versuchte, herauszubekommen, wohin Rand verschwunden ist. In den Prophezeiungen steht, der Stein von Tear werde erst dann fallen, wenn das Volk des Drachen kommt, und die Aiel waren an der Eroberung des Steins beteiligt. Das wird durch alle Gerüchte und Berichte bestätigt.«
Morvrin schien plötzlich ins Leere zu blicken. »Ich erinnere mich an Spekulationen über die Weisen Frauen, als ich gerade die Stola erhalten hatte. Falls es der Wahrheit entspricht, wäre das sicher faszinierend, doch die Aiel behandeln Aes Sedai nicht besser als jeden, der ihre Wüste betritt, und bei ihren Weisen Frauen gibt es offensichtlich irgendein Gesetz oder eine Tradition, die verhindert, daß sie mit Fremden sprechen, wie ich hörte. Das macht es extrem schwer, sich einer weit genug zu nähern, um festzustellen, ob sie...« Mit einemmal schüttelte sie sich und blickte Siuan und Leane vorwurfsvoll an, als seien sie an ihrer gedanklichen Abschweifung schuld. »Ein dünner Halm, zu dünn, um daraus einen Korb zu flechten, wenn es um etwas aus einem Buch geht, dessen Schreiberin vermutlich niemals einen Aiel gesehen hat.«
»Ein sehr dünner Strohhalm«, bestätigte Carlinya.
»Aber vielleicht doch wert, jemanden in die Wüste zu entsenden?« Es bereitete ihr Mühe, daraus eine Frage zu machen anstatt eines Befehls. Siuan hielt es allmählich für möglich, daß sie sich zu Tode schwitzen werde, falls sie nicht irgendeine andere Form des Umgangs mit ihnen finden konnte. Normalerweise hatte sie sich genügend im Griff, um der Hitze zu widerstehen, aber jetzt nicht, wenn sie versuchen mußte, die anderen mitzuziehen, ohne sie spüren zu lassen, daß sie sie an den Haaren zog. »Ich glaube nicht, daß die Aiel einer Aes Sedai etwas zuleide täten.« Nicht, wenn sie schnell genug reagierte und ihnen bewies, daß sie eine Aes Sedai war. Siuan glaubte jedenfalls nicht an eine Gefahr von dieser Seite. Man mußte es eben riskieren. »Und wenn er sich in der Wüste aufhält, wissen es die Aiel. Denkt an diese Aiel im Stein.«
»Möglicherweise«, sagte Beonin bedächtig. »Die Wüste ist groß. Wie viele müßten wir aussenden?«
»Falls sich der Wiedergeborene Drache in der Wüste aufhält«, sagte Anaiya, »wird es auch der erste Aiel wissen, den wir dort antreffen. Dieser Rand al'Thor zieht die Ereignisse nach sich, das steht fest. Er könnte nicht einmal im Meer schwimmen gehen, ohne ein Klatschen, das in jeder Ecke der Welt hörbar ist.«
Myrelle lächelte. »Es sollte eine Grüne sein. Keine von Euch anderen läßt sich mehr als einen Behüter zuschwören, und in der Wüste könnten zwei oder drei Gaidin sehr nützlich sein, jedenfalls bis die Aiel wissen, daß es sich um eine Aes Sedai handelt. Ich habe schon immer einmal einen Aiel kennenlernen wollen.« Während des Aielkriegs war sie Novizin gewesen und hatte die Burg nicht verlassen dürfen. Natürlich hatte sowieso keine Aes Sedai über das Heilen Verwundeter hinaus an den Kämpfen teilgenommen. Die Drei Eide hatten das verhindert, es sei denn, Tar Valon oder sogar die Weiße Burg selbst würden angegriffen. Doch in diesem Krieg war der Fluß nicht überschritten worden.
»Ihr geht nicht«, sagte Sheriam zu ihr, »und auch kein anderes Mitglied dieser Ratsversammlung. Ihr habt zugestimmt, dies alles mit uns gemeinsam durchzustehen, Myrelle, als ihr einverstanden wart, mit uns im Rat zu sitzen, und da könnt Ihr Euch nicht so einfach zum Vergnügen herumtreiben, weil Ihr euch langweilt. Ich fürchte, es wird bis zum Ende noch mehr Aufregung geben, als wir uns je wünschen könnten.« Unter anderen Umständen wäre sie eine herausragende Amyrlin geworden, jetzt aber war sie zu stark und zu selbstsicher. »Aber eine Grüne... Ja, dem stimme ich zu. Oder zwei?« Der Blick aus ihren grünen
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