Die Feuer des Himmels
weißen Fransen getragen, dann hätte sie die jetzt vermutlich um sich gewickelt.
»Ihr könnt der Welt doch eine wirkliche Amyrlin geben.« Leane richtete ihre Worte nicht an die Weiße Schwester, sondern an alle zugleich. Sie sah eine nach der anderen an, selbstsicher, doch so, als gebe sie ihnen lediglich eine Anregung, von der sie hoffte, sie würden sie aufgreifen. Es war Siuan gewesen, die ihr zugeredet hatte, daß die Methoden, die sie erfolgreich bei Männern anwandte, durchaus auch abgewandelt bei Frauen hilfreich seien. »Ich habe Aes Sedai aus sämtlichen Ajah außer der Roten im Schankraum und draußen auf der Straße gesehen.
Laßt sie hier einen neuen Burgsaal wählen und laßt dann diesen Saal die neue Amyrlin küren. Danach könnt Ihr euch der Welt als die wahre Weiße Burg präsentieren, die ins Exil gehen mußte, weil Elaida die Macht an sich riß. Wenn man noch Logains Enthüllungen hinzufügt, gibt es wohl keine Zweifel mehr daran, wen die Welt als die wahre Amyrlin anerkennen wird.«
Die Idee war bei ihnen angekommen. Siuan sah deutlich, wie sie sie im Geist von allen Seiten betrachteten. Was die anderen auch denken mochten, es war jedenfalls nur Sheriam, die widersprach: »Das bedeutet aber, daß die Burg wirklich gespalten wird«, sagte die Frau mit den grünen Augen traurig.
»Sie ist bereits gespalten«, sagte Siuan schnippisch zu ihr und wünschte sich fast im gleichen Moment, sie hätte den Mund gehalten. Alle sahen sie an.
Sie sollten annehmen, das Ganze sei allein Leanes Einfall, da sie selbst den Ruf einer Frau hatte, die ständig bei anderen die Fäden zog, und so würden sie ihren Vorschlägen gegenüber mißtrauisch sein. Deshalb auch hatte sie begonnen, in ihrem früher üblichen harten Tonfall mit ihnen zu sprechen, denn hätte sie etwas mit ruhigen, sanften Worten eingebracht, keine hätte ihr geglaubt. Sie mußte sie behandeln, als sei sie immer noch Amyrlin und wolle sie zurechtweisen. Im Vergleich dazu sollte Leane eher kooperativ wirken und nur das Wenige ins Gespräch einbringen, was ihr einfiel. Dann würden sie wahrscheinlich auf sie hören. Es war Siuan nicht schwergefallen, ihre Rolle zu spielen, bis sie gezwungen war, die anderen um etwas zu bitten. In diesem Moment hätte sie am liebsten alle zum Trocknen in die Sonne gehängt. Hier sitzen müssen und nichts tun können!
Du hättest dir keine Gedanken darüber machen müssen, ob sie dir mißtrauen. Sie halten dich für ein geknicktes Schilfrohr. Falls alles gutging, würden sie auch weiterhin so über sie denken. Ein nützlicher Schilfhalm, aber schwach, den man schnell wieder vergessen konnte. Es tat schon weh, sich so darstellen zu müssen, doch Duranda Tharne hatte ihr in Lugard die Notwendigkeit einer solchen Maske vor Augen geführt. Sie würden sie nur zu ihren Bedingungen aufnehmen, und das bedeutete, sie mußte versuchen, das Beste daraus zu machen.
»Ich wünschte, ich wäre selbst auf diese Idee gekommen«, fuhr sie fort. »Aber jetzt, da ich es von Leane höre, finde ich, es gibt Euch eine Gelegenheit, die Burg neu zu errichten, ohne sie vorher ganz und gar einreißen zu müssen.«
»Es gefällt mir trotzdem absolut nicht.« Sheriams Stimme klang wieder entschlossener. »Doch was sein muß, muß sein. Das Rad webt, wie das Rad es wünscht, und so das Licht es will, wird es Elaida aus ihrer Stola herausweben.«
»Wir werden mit den Schwestern verhandeln müssen, die in der Burg verblieben sind«, überlegte Beonin laut. »Die von uns erwählte Amyrlin muß geschickt verhandeln können, oder?«
»Sie muß auf jeden Fall klar denken«, warf Carlinya ein. »Die neue Amyrlin muß eine Frau von kühlem Verstand und glasklarer Logik sein.«
Morvrins Schnauben war laut genug, daß alle auf ihren Stühlen zusammenzuckten. »Sheriam ist die Höchste unter uns, und sie hat uns zusammengehalten, wo wir ansonsten in zehn verschiedene Richtungen davongelaufen wären.«
Sheriam schüttelte lebhaft den Kopf, doch Myrelle gab ihr keine Gelegenheit zu sprechen. »Sheriam ist eine ausgezeichnete Wahl. Ich kann bereits jetzt zusagen, daß jede Grüne Schwester hier für sie stimmen wird.« Anaiya öffnete den Mund, und an ihrer Miene konnte man ihre Zustimmung ablesen.
Es war Zeit, dem einen Riegel vorzuschieben, bevor sie die Fäden aus der Hand verlor. »Darf ich etwas vorschlagen?« Siuan glaubte, vornehme Zurückhaltung liege ihr viel besser als offene Demut. Es war nur ein Strohhalm, aber sie mußte das einfach
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