Die Feuer des Himmels
Er glaubte nicht, daß er sich auch bei größter Willensanstrengung hätte zurückhalten können, aber der Gedanke kam ihm in diesem Augenblick überhaupt nicht, und sie schien auch nicht zu wollen, daß er sich zurückhielt. Ja, sein letzter klarer und zusammenhängender Gedanke für längere Zeit war sogar der, daß er sie wohl kaum zurückhalten könne.
Um ein Beträchtliches später - zwei Stunden, vielleicht auch drei, sicher war er sich da nicht - lag er entspannt auf der Schlafunterlage, die Decken über sich gezogen und die Hände hinter dem Kopf gefaltet. Er beobachtete Aviendha, wie sie die glatten weißen Wände untersuchte. Sie hatten überraschend viel Wärme zurückgehalten, so daß er Saidin gar nicht benützen mußte, weder um die Kälte abzuhalten, noch um die Luft zu erwärmen. Beim Aufstehen war sie lediglich mit ihren Fingern durchs Haar gefahren. Ansonsten bewegte sie sich trotz ihrer Nacktheit völlig ohne Scham. Natürlich war es auch ein wenig zu spät, um sich vor ihm nur deshalb zu schämen, weil sie nichts anhatte. Er hatte sich Gedanken darüber gemacht, sie nicht zu verletzen, als er sie aus dem Wasser zog, doch ihr Körper zeigte weniger Schrammen als seiner, und auch die schienen ihrer Schönheit überhaupt keinen Abbruch zu tun.
»Was ist das?« fragte sie.
»Schnee.« Er erklärte ihr, so gut es ging, was Schnee sei, aber sie schüttelte nur den Kopf, teils staunend, teils ungläubig. Einer Frau, die in der Wüste aufgewachsen war, mußte gefrorenes Wasser, das vom Himmel fiel, genauso unmöglich erscheinen wie Menschen, die fliegen konnten. Den Chroniken nach war das einzige Mal, daß es in der Wüste je geregnet hatte, ausgerechnet der von ihm über Rhuidean erzeugte Regen gewesen.
Er konnte einen Seufzer des Bedauerns nicht zurückhalten, als sie sich ihr Hemd über den Kopf zog. »Die Weisen Frauen können uns verheiraten, sobald wir zurück sind.« Er spürte immer noch sein Gewebe, das die Tür offenhielt.
Aviendhas dunkelroter Schopf schob sich aus dem Hemd hervor, und sie blickte ihn ausdruckslos an. Nicht unfreundlich, aber auch nicht freundlich. Allerdings entschlossen. »Was läßt dich glauben, ein Mann habe das Recht, so etwas von mir zu verlangen? Außerdem gehörst du zu Elayne.«
Er brauchte einen Moment, bis er den Mund wieder zu bekam. »Aviendha, wir haben gerade... Wir beide... Licht, wir müssen doch jetzt heiraten. Nicht, daß ich es nur will, weil es so sein muß«, fügte er schnell hinzu. »Ich will es ja wirklich.« Da war er sich allerdings nicht ganz so sicher. Er glaubte durchaus, sie zu lieben, aber vielleicht liebte er ja Elayne auch. Und aus irgendeinem Grund schlich sich auch Min wieder in seine Gedanken ein. Du bist ein genauso großer Schürzenjäger wie Mat. Aber wenigstens einmal konnte er das Richtige tun, eben weil es so richtig war.
Sie schnaubte und befühlte ihre Strümpfe, um sicherzugehen, daß sie auch getrocknet waren. Dann setzte sie sich, um sie anzuziehen. »Egwene hat mir von euren Hochzeitsbräuchen an den Zwei Flüssen erzählt.«
»Willst du ein ganzes Jahr lang warten?« fragte er ungläubig.
»Das Jahr. Ja, das habe ich gemeint.« Ihm war vorher noch nie klar geworden, wieviel Bein eine Frau zeigte, wenn sie sich einen Strumpf anzog. Seltsam, daß ihn das noch so reizte, nachdem er sie nackt und verschwitzt gesehen hatte, und... Er konzentrierte sich darauf, ihr zuzuhören. »Egwene erzählte, sie habe ihre Mutter um Erlaubnis für dich bitten wollen, doch bevor sie es auch nur erwähnte, sagte ihre Mutter, daß sie ohnehin noch ein ganzes Jahr warten müsse, auch wenn sie ihr Haar in der Zwischenzeit bereits zum Zopf flechten dürfe.« Aviendha runzelte die Stirn. Das eine Knie ruhte fast unter ihrem Kinn. »Stimmt das denn? Sie sagte, einem Mädchen sei nicht erlaubt, ihr Haar zum Zopf zu flechten, bevor sie nicht im heiratsfähigen Alter ist. Verstehst du überhaupt, was ich sage? Du machst ein Gesicht wie dieser... Fisch... den Moiraine im Fluß gefangen hat.« In der Wüste gab es keine Fische. Die Aiel kannten sie nur aus Büchern.
»Natürlich habe ich zugehört«, versicherte er. Er hätte genausogut taub und blind dazu sein können, soviel hatte er verstanden. Er drehte sich unter den Decken ein wenig zur Seite und bemühte sich, so selbstsicher zu sprechen, wie es ihm möglich war: »Wenigstens... na ja, die Bräuche sind kompliziert, und ich bin nicht sicher, auf welchen genau du dich beziehst.«
Sie sah ihn
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