Die Feuer des Himmels
ihr die Luft, als habe ein Hammerschlag ihren Unterleib getroffen. Sie rang nach Atem und versuchte mit aller Macht, ihre Muskeln zu Bewegungen anzutreiben und sich durch die Schmerzen hindurch zu Saidar zu kämpfen.
Birgitte taumelte und zog mühsam einen weiteren Pfeil aus dem Köcher. »Geht, Nynaeve!« Selbst dieser Ruf klang mühevoll und erzwungen. »Flieht!« Birgittes Kopf wankte, und sie hob unsicher den silbernen Bogen.
Das Glühen um Moghedien intensivierte sich, bis sie von blendendem Sonnenschein umgeben schien.
Die Nacht schlug über Birgitte zusammen wie eine Meereswoge und hüllte sie in Schwärze. Als sie vorübergezogen war, fiel der Bogen auf leere Kleidungsstücke herab. Nur Bogen und Pfeile verblieben dort und schimmerten im Mondschein.
Moghedien sank keuchend auf die Knie nieder und umklammerte mit beiden Händen den Pfeilschaft in ihrer Brust, während das Glühen verflog und ganz erstarb. Dann verschwand sie, und der silberne Pfeil fiel zu Boden, wo sie sich gerade noch befunden hatte. Die Spitze war dunkel von Blut verfärbt.
Nach einem Zeitraum, der ihr wie eine Ewigkeit erschien, brachte Nynaeve es fertig, sich auf Hände und Knie hochzustemmen. Weinend kroch sie hinüber zu Birgittes Bogen. Diesmal kamen ihr die Tränen nicht der Schmerzen wegen. Sie kniete da, nackt, was ihr vollkommen gleichgültig war, und drückte den Bogen an sich. »Es tut mir leid«, schluchzte sie. »O Birgitte, vergib mir. Birgitte!«
Sie hörte keine Antwort, außer dem klagenden Schrei eines Nachtvogels.
Liandrin sprang auf, als die Tür zu Moghediens Schlafzimmer aufging und gegen die Wand krachte und die Auserwählte in das Wohnzimmer taumelte. Ihr Seidenhemd war von Blut getränkt. Chesmal und Temaile eilten an ihre Seite, und jede nahm einen Arm, um die Frau zu stützen. Nur Liandrin blieb an ihrem Stuhl stehen. Die anderen waren ausgegangen. Vielleicht befanden sie sich sogar außerhalb Amadors. Liandrin wußte es nicht. Moghedien sagte ihnen nur, was die jeweilige Zuhörerin ihrer Meinung nach wissen mußte, und sie bestrafte sie für Fragen, die ihr unbequem waren.
»Was ist geschehen?« Temaile schnappte fast nach Luft.
Moghediens kurzer Blick hätte sie eigentlich an Ort und Stelle verschmoren lassen sollen. »Ihr habt ein gewisses Talent zum Heilen«, sagte die Auserwählte schwerfällig zu Chesmal. Blut rann ihr über die Lippen und tropfte immer stärker aus ihren Mundwinkeln. »Wendet es an. Jetzt, Närrin!«
Die dunkelhaarige Ghealdanerin zögerte nicht länger und legte die Hände um Moghediens Kopf. Liandrin lachte spöttisch in sich hinein, als das Glühen um Chesmal aufflammte. Auf deren hübschem Gesicht stand Sorge, und Temailes feine, fuchsartige Züge waren von purer Angst und Entsetzen verzerrt. So treu waren die beiden. Solch ergebene Schoßhündchen. Moghedien wurde auf die Zehenspitzen hochgerissen, der Kopf in den Nacken geworfen, die Augen weit aufgerissen. Sie bebte, und der Atem floh aus ihrem geöffneten Mund, als habe man sie in Eiswasser gestoßen.
Nach wenigen Augenblicken war alles vorüber. Das Glühen um Chesmal verflog, und Moghediens Füße standen wieder fest auf dem blaugrün gemusterten Teppich. Hätte Temaile sie nicht gestützt, wäre sie womöglich zu Boden gesunken. Nur ein Teil der Kraft, die zum Heilen notwendig war, stammte von der Macht; den Rest trug die Person bei, die geheilt wurde. Die Wunde, die diese Blutungen hervorgerufen hatte, war jetzt verheilt, aber Moghedien war so schwach, als habe sie wochenlang krank im Bett gelegen. Sie zog den feinen gold- und elfenbeinfarbenen Schal von Temailes Gürtel und wischte sich den Mund ab, während die Frau ihr half, sich der Schlafzimmertür zuzuwenden. Schwach, und nun wandte sie ihr noch den Rücken zu.
Liandrin schlug zu, so hart sie nur konnte. Was diese Frau ihr bereits alles angetan hatte, verlieh ihr zusätzliche Kräfte.
Doch schon im gleichen Augenblick schien Saidar Moghedien wie eine Flutwelle zu durchdringen. Liandrins Schlag wurde abgefangen, als sie von der Quelle abgeschnitten wurde. Stränge aus Luft hoben sie auf und schleuderten sie so hart gegen die getäfelte Wand, daß ihre Zähne knirschten. Mit ausgebreiteten Armen und Beinen hing sie hilflos dort.
Chesmal und Temaile tauschten einen verwirrten Blick, als verstünden sie überhaupt nicht, was geschehen war. Sie stützten Moghedien weiter, die nun vor Liandrin stand und sich immer noch seelenruhig mit Temailes Schal den Mund
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