Die Feuer des Himmels
Ihr seid ein Feigling und ohne Rückgrat! Der Inhalt eines Nachttopfes! Ihr Stück...« Etwas Dickes krabbelte ihr in den Mund hinein, drückte ihre Zunge herunter und zwang ihre Kiefer auseinander.
»Ihr seid so leicht durchschaubar«, murmelte Moghedien. »Glaubt mir, ich bin bereits zornig genug auf Euch. Doch ich glaube nicht, daß ich Euch als Schemel benützen werde.« Ihr Lächeln jagte Nynaeve einen Schauer über den Rücken. »Ich denke, ich werde Euch in ein Pferd verwandeln. Das ist hier durchaus möglich. Ein Pferd, eine Maus, einen Frosch...« Sie unterbrach sich und lauschte. »... eine Grille. Und dann werdet Ihr jedesmal, wenn Ihr nach Tel'aran'rhiod kommt, ein Pferd sein, bis ich das wieder ändere. Oder bis jemand anders mit den notwendigen Kenntnissen das besorgt.« Wieder schwieg sie einen Moment und blickte sie mit einer Miene an, die beinahe schon Sympathie ausdrückte. »Nein, ich will in Euch keine falschen Hoffnungen wecken. Es gibt jetzt nur noch neun von uns, die solche Bindungen fertigbringen, und Ihr wollt vermutlich genausowenig von den anderen beherrscht werden wie von mir. Ihr werdet jedesmal zu einem Pferd werden, wenn ich Euch hierher mitbringe. Ihr bekommt sogar einen eigenen Sattel und Zaumzeug. Ich werde auch Eure Mähne extra schön flechten.« Nynaeves Zopf wurde ihr von unsichtbaren Händen fast aus der Kopfhaut gerissen. »Natürlich werdet Ihr auch in diesem Zustand wissen, wer Ihr seid. Ich glaube, ich werde diese Ausritte genießen - im Gegensatz zu Euch.« Moghedien atmete tief durch, und ihr Kleid färbte sich dunkel und glänzte schwach im trüben Mondschein. Nynaeve mochte sich täuschen, aber sie hielt das für die Farbe frischen Blutes. »Andererseits, falls Ihr ungehorsam seid, werde ich Euch vielleicht doch Semirhage übergeben. Dort seid Ihr bestimmt gut aufgehoben, und ich kann meine ganze Aufmerksamkeit wichtigeren Dingen zuwenden. Befindet sich das kleine blonde Flittchen bei Euch in der Menagerie?«
Das dicke Etwas verschwand aus Nynaeves Mund. »Ich bin allein, Ihr dummes...« Schmerzen. Als habe man sie von den Schultern bis zu den Waden herab verprügelt, und zwar mit einem einzigen Schlag. Sie heulte schrill auf. Noch einmal. Sie versuchte, die Zähne zusammenzubeißen, und doch schmerzte ihr eigener Schrei in ihren Ohren. Sie schämte sich der Tränen, die ihr über die Wangen rollten, konnte aber das Schluchzen nicht zurückhalten, während sie ohne Hoffnung auf den nächsten Schlag wartete.
»Ist sie bei Euch?« fragte Moghedien geduldig. »Verschwendet Eure Zeit nicht damit, mich provozieren zu wollen, daß ich Euch töte. Das werde ich nicht tun. Ihr werdet viele Jahre in meinen Diensten erleben. Eure bemitleidenswert geringen Fähigkeiten werden vielleicht zu etwas gut sein, wenn ich sie ausbilde. Wenn ich Euch ausbilde. Aber ich kann Euch auch dazu bringen, das, was Ihr gerade gespürt habt, für eine Liebkosung zu halten. Beantwortet jetzt meine Frage.«
Nynaeve brachte es mit Mühe fertig, wieder genug Luft zu schöpfen, um ihr zu antworten. »Nein«, weinte sie drauflos. »Sie ist mit einem Mann verschwunden, nachdem wir Tanchico verlassen hatten. Er war alt genug, um ihr Großvater zu sein, aber er hatte Geld. Wir hatten gehört, was sich in der Burg abgespielt hatte« - sicherlich hatte Moghedien davon erfahren -, »und sie fürchtete sich davor, dorthin zurückzukehren.«
Die andere lachte. »Eine wunderbare Geschichte. Ich begreife beinahe, was Semirhage daran findet, Widerstand zu brechen. Oh, Ihr werdet mich noch prächtig unterhalten, Nynaeve al'Meara! Aber zuerst werdet Ihr mir dieses Mädchen Elayne herbringen. Ihr werdet sie abschirmen und sie dazu bringen, daß sie sich mir zu Füßen wirft. Wißt Ihr auch, warum? Weil manche Dinge in Tel'aran'rhiod noch stärker wirken als in der wachenden Welt. Deshalb werdet Ihr auch jedesmal eine glänzend weiße Stute sein, wenn ich Euch herbringe. Und es sind nicht nur Verletzungen, die man von hier aus mitnimmt, wenn man erwacht! Auch einen unwiderstehlichen Drang nimmt man mit. Ich will, daß ihr ein paar Augenblicke lang nachdenkt, bevor Ihr selbst daran zu glauben beginnt, was Ihr mir erzählt habt. Ich vermute, das Mädchen ist Eure Freundin. Aber Ihr werdet sie mir zuführen, wie ein Haustierchen... « Moghedien schrie laut auf, als urplötzlich ein silberner Pfeil unter ihrer rechten Brust aus ihrem Oberkörper ragte.
Nynaeve plumpste zu Boden wie ein Kartoffelsack. Der Sturz raubte
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