Die Feuer des Himmels
abwischte. So schnell war alles gegangen. Moghedien lenkte ein kleines Rinnsal der Macht, und das Blut auf ihrem Hemd färbte sich schwarz, bröckelte ab und fiel auf den Teppich.
»Ihr... Ihr versteht nicht, Große Herrin«, stammelte Liandrin verzweifelt. »Ich wollte nur helfen, damit Ihr gut schlaft.« Ausnahmsweise einmal war ihr völlig gleichgültig, daß ihr Dialekt wieder durchbrach. »Ich wollte doch nur... « Sie brach ab und würgte nur noch, als ein Strang aus Luft ihre Zunge packte und sie ihr aus dem Mund zog. Ihre braunen Augen quollen heraus. Noch ein wenig mehr Druck, und...
»Soll ich sie herausreißen?« Moghedien musterte ihr Gesicht, sprach aber mehr zu sich selbst. »Ich denke nicht. Wie schade für Euch, daß diese al'Meara-Frau mich schon wie Semirhage reagieren läßt. Ansonsten würde ich Euch wahrscheinlich nur töten.« Plötzlich nabelte sie die Abschirmung ab. Der Knoten wurde immer komplizierter, bis Liandrin sich in den Windungen und Schleifen verlor.
Und er wuchs immer noch. »So«, sagte Moghedien schließlich in zufriedenem Ton. »Ihr werdet sehr lange suchen müssen, bis Ihr jemanden findet, der das wieder entwirrt. Allerdings werdet Ihr kaum eine Gelegenheit zum Suchen bekommen.«
Liandrin suchte in Chesmals und Temailes Gesicht nach einer Spur von Sympathie und Mitgefühl - irgend etwas Tröstliches nur -, aber Chesmals Augen blickten kalt und streng, während die von Temaile glänzten. Sie berührte ihre Lippen mit der Zungenspitze und lächelte. Es war kein freundliches Lächeln.
»Ihr habt geglaubt, Ihr hättet etwas in bezug auf zwanghaftes Handeln, auf inneren Drang gelernt«, fuhr Moghedien fort. »Ich werde Euch aber noch ein bißchen mehr beibringen.« Einen Augenblick lang zitterte Liandrin am ganzen Körper. Der Anblick der Frau nahm ihr ganzes Gesichtsfeld in Anspruch, und ihre Stimme füllte ihr ganzes Gehör. »Lebe.« Der Augenblick war vorüber und Liandrin standen Schweißtropfen auf der Stirn, als die Auserwählte sie anlächelte. »Der seelische Zwang hat viele Einschränkungen, aber ein Befehl, das zu tun, was jemand im tiefsten Innersten selbst will, hält ein Leben lang vor. Ihr werdet leben, so sehr Ihr euch auch anstrengt, Euch das Leben zu nehmen. Und ihr werdet immer daran denken. Ihr werdet viele Nächte lang weinend im Bett liegen und Euch den Tod herbeiwünschen.«
Der Strang, der Liandrins Zunge hielt, verschwand, und sie nahm sich kaum die Zeit, zu schlucken. »Bitte, große Herrin, ich schwöre, daß ich nicht...« In ihrem Kopf dröhnte es, und sie sah silbrigschwarze Flecken vor den Augen tanzen, als Moghedien sie kräftig ohrfeigte.
»Es ist manchmal verlockend... etwas... körperlich zu tun«, schnaufte die Frau. »Bettelt Ihr um mehr?«
»Bitte, Große Herrin...« Die zweite Ohrfeige ließ ihr Haar fliegen.
»Mehr?«
»Bitte...« Die dritte renkte ihr beinahe den Kiefer aus. Ihre Wange brannte.
»Wenn Ihr bei Euren Ausreden nicht mehr Phantasie entwickelt, höre ich nicht mehr hin. Statt dessen werdet Ihr zuhören. Ich glaube, was ich für Euch geplant habe, würde selbst Semirhage entzücken.« Moghediens Lächeln wirkte beinahe so düster wie das Temailes. »Ihr werdet leben und keineswegs einer Dämpfung unterzogen. Ihr werdet wissen, daß Ihr durchaus die Macht wieder lenken könntet, würdet Ihr nur jemanden finden, der Eure Abschirmung entknoten kann. Und das ist nur der Anfang. Evon wird über ein neues Küchenmädchen froh sein, und ich bin sicher, diese Frau Arene wird mit Euch lange Gespräche über ihren Mann führen wollen. Ja, sie werden Eure Gesellschaft so sehr genießen, daß ich daran zweifle, daß Ihr in den nächsten Jahren dieses Haus wieder einmal von außen sehen werdet. Lange Jahre, in denen Ihr euch wünscht, Ihr hättet mir treu gedient.«
Liandrin schüttelte den Kopf und bemühte sich, die Worte ›nein‹ und ›bitte‹ herauszubringen. Doch sie weinte zu sehr, um sie aussprechen zu können.
Moghedien wandte den Kopf, um Temaile anzusehen, und sagte: »Bereitet sie darauf vor. Und sagt ihnen, sie sollten sie auf keinen Fall töten oder verstümmeln. Ich möchte, daß sie immer glaubt, entkommen zu können. Selbst diese verlorene Hoffnung wird helfen, sie am Leben zu halten, damit sie leiden kann.« Sie wandte sich auf Chesmals Arm gestützt ab, und die Stränge, die Liandrin an der Wand festhielten, verschwanden.
Ihre Beine knickten ein wie Strohhalme, und sie brach auf dem Teppich zusammen. Nur die
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