Die Feuer des Himmels
der einer Frau auf eine andere. Sie spürte dabei lediglich ein Würgen und die Erleichterung darüber, daß es nicht ihr Kopf war. Und kalt war ihr.
»Danke«, sagte sie laut in die Runde. »Vielen Dank.« Die Worte kamen ein wenig schwerfällig heraus, denn sie gab nicht gern zu, daß sie selbst etwas nicht genauso gut hätte erledigen können, aber es lag doch Eindringlichkeit darin. Dann nickte Birgitte zustimmend und Nynaeve mußte mit sich kämpfen. Doch diese Frau hatte genausoviel vollbracht wie die anderen. Erheblich mehr also als sie selbst. So steckte sie das Messer wieder in die Gürtelschlaufe. »Du ... hast sehr gut geschossen.«
Mit einem trockenen Grinsen, als wisse sie genau, wie schwer Nynaeve diese Worte gefallen waren, machte sich Birgitte daran, ihre verschossenen Pfeile wieder einzusammeln. Nynaeve schauderte und vermied es, ihr dabei zuzusehen.
Die meisten Schienarer waren verwundet, und auch Thom und Juilin hatten Blut lassen müssen, doch benahmen sie sich wie rechte Männer. Jeder behauptete, seine Wunden seien weiter unbedeutend. Wundersamerweise war Galad völlig unberührt geblieben. Aber vielleicht war das doch nicht so wunderlich, wenn man bedachte, mit welcher Kunst er seine Klinge geführt hatte. Selbst Uno sagte, sie müßten sofort weitergehen, obwohl ihm ein Arm steif herabhing und er einen Schnitt über seine Wange empfangen hatte, der zu einer fast spiegelgleichen Narbe wie die auf der anderen Seite werden würde, falls man ihn nicht schnell heilte.
Tatsächlich aber zögerte sie keineswegs, sofort weiterzugehen, obwohl sie sich sagte, sie solle eigentlich nach den Verletzungen sehen. Elayne legte ihren Arm stützend um Thom; der aber weigerte sich, sich auf sie zu stützen. Dann begann er einfach, eine Ballade im Hochgesang zu rezitieren, und zwar so blumig ausgeschmückt, daß es schwerfiel, die Geschichte von Kirukan darin zu erkennen, der schönen Soldatenkönigin aus den Trolloc-Kriegen.
»Sie hatte, vorsichtig ausgedrückt, eine Laune wie ein Keiler, der im Dorngestrüpp festsitzt«, sagte Birgitte leise vor sich hin. »So schlimm wie niemand sonst in ihrer Nähe.«
Nynaeve knirschte mit den Zähnen. Sie würde sich hüten, dieser Frau noch einmal ein Lob zu spenden, was sie auch in Zukunft anstellen mochte. Und wenn sie es recht bedachte, konnte jeder Mann von den Zwei Flüssen auf diese Entfernung genauso gut schießen. Ach was, jeder Junge!
Ein Grollen folgte ihnen, dumpfes Gebrüll aus anderen Straßenzügen in einiger Entfernung, und hin und wieder hatte sie das Gefühl, von ungesehenen Augen aus leeren, glaslosen Fensterhöhlen heraus beobachtet zu werden. Doch die Nachricht von ihrem Kampf mußte sich herumgesprochen haben, oder die Beobachter hatten selbst zugesehen, denn sie erblickten keine Menschenseele, bis plötzlich vor ihnen zwei Dutzend Weißmäntel in die Straße einbogen, die Hälfte mit gespannten Bögen, die anderen mit blanken Klingen. Die Schienarer hatten innerhalb eines Herzschlags ihre Schwerter gezogen.
Ein paar kurze Sätze, die Galad mit einem Burschen mit mürrischem Gesicht unter dem kegelförmigen Helm tauschte, sorgten dafür, daß sie durchgelassen wurden, obwohl der Mann die Schienarer zweifelnd musterte, ebenso wie Thom und Juilin und auch Birgitte. Es reichte jedenfalls, um Nynaeve aufzuregen. Es mochte noch hingehen, daß Elayne mit erhobenem Kinn weitermarschierte und die Weißmäntel ignorierte, als seien sie Diener, aber Nynaeve paßte es ganz und gar nicht, einfach übersehen zu werden.
Der Fluß war nicht mehr weit entfernt. Hinter ein paar kleinen, gemauerten Lagerhäusern mit Schieferdächern zogen sich die drei gemauerten Anlegeplätze der Stadt kaum bis zum Wasser des halb ausgetrockneten Flusses über den vertrockneten Schlamm hin. Am Ende einer der Mauern schaukelte ein plumpes Schiff mit zwei Masten, das sehr tief lag. Nynaeve hoffte, es werde keine Mühe machen, separate Kajüten zu bekommen. Und sie hoffte, es möge nicht zu schlimm schwanken.
Eine kleine Menschenansammlung duckte sich zwanzig Schritt vom Kai entfernt unter den wachsamen Blicken von vier Wächtern mit weißen Umhängen. Es waren beinahe ein Dutzend Männer, vorwiegend alt und alle zerlumpt und mit Schrammen oder Schwellungen, und etwa doppelt so viele Frauen, die meisten mit zwei oder drei Kindern an der Hand oder auf dem Arm, ein paar sogar mit Säuglingen. Zwei weitere Weißmäntel standen direkt vor dem Zugang zum Kai. Die Kinder verbargen ihre
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