Die Feuer des Himmels
trotzig an. Moghedien dagegen musterte sie wie eine Schnitzerin einen Holzblock.
Alles hängt jetzt an mir, dachte Nynaeve. Und ich bin so hilflos, als könnte ich überhaupt nicht mit der Macht umgehen. Alles hängt an mir.
Auch nur einen Fuß anzuheben war, als zöge man ihn aus knietiefem Schlamm. Der zweite taumelnde Schritt fiel ihr nicht leichter. In Richtung Moghedien. »Tut mir nichts«, rief Nynaeve weinerlich. »Bitte! Tut mir nichts!« Es überlief sie eiskalt. Birgitte war verschwunden. An ihrer Stelle stand ein Kind von vielleicht drei oder vier Jahren, mit einem kurzen weißen Mantel und gelben Pumphosen bekleidet, und spielte mit einem silbernen Spielzeugbogen. Das Kind warf mit einer kurzen Bewegung seinen goldenen Zopf nach hinten, zielte mit dem Bogen spielerisch auf Nynaeve und kicherte. Dann steckte es einen Finger in den Mund, als sei es nicht sicher, ob es etwas falsch gemacht hatte. Nynaeve fiel auf die Knie. Es war Schwerstarbeit, in ihren Röcken voranzukriechen, aber sie wäre wohl kaum in der Lage gewesen, sich auf den Beinen zu halten. Irgendwie brachte sie es jedenfalls fertig, streckte dann bittend eine Hand nach Moghedien aus und wimmerte: »Bitte. Tut mir nichts.
Bitte. Fügt mir keine Schmerzen zu.« Immer und immer wieder, während sie sich zu der Verlorenen hinschleppte wie ein sterbender Käfer, der durch den Staub krabbelt.
Moghedien sah ihr schweigend zu, bis sie schließlich sagte: »Ich hatte ursprünglich geglaubt, Ihr wäret um einiges stärker. Jetzt bemerke ich, wie sehr mir Euer Anblick gefällt, wenn Ihr so auf den Knien liegt. Das ist jetzt nahe genug, Mädchen. Nicht, daß ich glaubte, Ihr hättet genug Mut, um zu versuchen, mir die Haare auszureißen...« Der Einfall schien sie zu erheitern.
Nynaeves Hand befand sich nur eine Spanne von Moghedien entfernt. Das mußte einfach nahe genug sein. Alles hing nur an ihr. Und an Tel'aran'rhiod. Das Bild formte sich in ihrem Kopf, und da war es: ein silbriges Armband an ihrem ausgestreckten Unterarm, mit einer silbrigen Leine, die bis zu dem ebenso silbrigen Halsband an Moghediens Hals reichte. Sie hielt das Bild in ihrem Kopf fest, nicht nur den A'dam, sondern Moghedien, die ihn trug, Moghedien und den A'dam als Teil Tel'aran'rhiods, den sie ganz nach ihren Wünschen gestaltete. Sie wußte in ungefähr, was sie zu erwarten hatte. Sie hatte einst in Falme selbst das Armband eines A'dam getragen. Auf diese seltsame Weise war sie sich Moghediens ebenso bewußt wie ihres eigenen Körpers, ihrer eigenen Gefühle. Zwei Menschen, jeder für sich, und doch befanden sich beide in ihrem Kopf. Etwas anderes hatte sie sich bestenfalls erhofft, weil Elayne fest behauptet hatte, es treffe zu: Das Ding war tatsächlich eine Verbindung, verknüpfte sie beide. Sie konnte die Wahre Quelle durch die andere hindurch wahrnehmen.
Moghediens Hand fuhr an das Halsband, und vor Schreck weiteten sich ihre Augen. Wut und Schreck. Zuerst mehr Wut als Angst. Nynaeve fühlte das, als seien es ihre eigenen Gefühle. Moghedien wußte mit Sicherheit, was Leine und Halsband zu bedeuten hatten, aber trotzdem versuchte sie, die Macht zu lenken. Gleichzeitig spürte Nynaeve eine leichte Veränderung in ihrem Innern, im A'dam, während die andere sich bemühte, Tel'aran'rhiod dem eigenen Willen zu unterwerfen. Moghediens Versuch zu unterbinden war einfach. Der A'dam stellte eine Verbindung her, und sie hatte die Kontrolle in der Hand. Dieses Bewußtsein machte es ihr leicht. Nynaeve wollte nicht, daß diese Stränge gelenkt wurden, also wurden sie nicht gelenkt. Moghedien hätte genausogut versuchen können, einen Berg mit bloßen Händen aufzuheben. Die Angst überwältigte den Zorn.
Nynaeve stand auf und formte das entsprechende Bild in ihrem Geist. Sie stellte sich nicht nur Moghedien mit dem Halsband des A'dam vor, nein, sie wußte, daß Moghedien an der Leine hing, wußte es genauso eindeutig, wie sie ihren eigenen Namen kannte. Dieses Gefühl der Veränderung, das ihr so auf der Haut kribbelte, verging trotzdem nicht. »Hört auf damit«, befahl sie in scharfem Ton. Der A'dam bewegte sich nicht, schien aber kaum wahrnehmbar zu zittern. Sie stellte sich Nesseln vor, die von den Schultern bis zu den Knien über den Körper der anderen strichen. Moghedien schauderte und atmete krampfhaft aus. »Hört auf damit, sage ich, oder Ihr werdet Schlimmeres verspüren.« Die Veränderung hörte auf. Moghedien beobachtete sie wachsam. Sie hielt immer noch das
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