Die Feuer von Alamosa (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)
wollte ich wissen.
„Mit Erlaubnis von Mister Piercington tragen jetzt viele Männer Waffen“, erklärte mir Gordon, „wenn die Banditen wiederkommen, sind überall ein paar, die auf sie schießen können.“
„Das ist doch Mist“, meinte Pete. „Hier arbeiten Männer, die mauern können, oder Bretter sägen. Aber auf einen Menschen schießen? Dass muss man erst lernen. Hast du schon mal auf einen Menschen geschossen?“
Es war Pete, der mich ansah, doch vor meinen Augen erschienen die Gesichter von fünf Männern, deren Knochen jetzt im Flusstal des Rio Grande bleichten, und eines Mannes, der jetzt eigentlich kein Mann mehr war. „Nein“, sagte ich.
Wir machten uns wieder an die Arbeit, bei der keiner von uns Vieren viele Worte machte. Die Schatten waren noch nicht viel länger geworden, als die Glocke das Arbeitsende einläutete. Wir hätten nun etwas Zeit, uns zu erfrischen, hieß es. Hinter der Schlafbaracke gab es einen Waschraum, den die meisten von uns benutzten. Aus meinen Satteltaschen holte ich mir danach mein letztes heiles Hemd und eine halbwegs saubere Hose, in denen ich der armen Betty die letzte Ehre erweisen wollte.
Die Trauerfeier war kurz. Piercington hielt eine kleine Rede, in der er den Wilderbergs, Bettys Eltern, sein Mitgefühl aussprach und Betty als „die gute Seele von Alamosa“ lobte, die für jeden ein gutes Wort gehabt habe, und von allen geschätzt und geliebt worden war. Esther und Eugenius Wilderberg, ein Ehepaar in den Fünfzigern, saßen bei der Trauerandacht in der ersten Reihe und machten einen völlig verzweifelten Eindruck: Bettys Mutter weinte während der ganzen Zeremonie, die Gesichtszüge ihres Vaters schienen dagegen eingefroren, nur seine Unterlippe zuckte unkontrolliert. Ein recht junger Prediger, der eine Brille mit runden Gläsern trug, führte den Leichenzug an und sprach am Grab ein Vaterunser, dann ließen vier Männer den einfachen Holzsarg an Seilen in die Erde.
Als wir vom Friedhof zurückkehrten, sah der riesige Pete es als erstes: Das große Gebäude, das ich für ein Freudenhaus gehalten hatte, und der Drugstore gegenüber davon standen in hellen Flammen. Schon barsten die ersten Fensterscheiben, und dichter schwarzer Rauch drang aus den Öffnungen. Stimmen schrien durcheinander, während der flinke Will zur Wasserpumpe rannte, die 50 Fuß die Straße hinunter aus dem Boden ragte, und dabei lautstark „Eimerkette! Eimerkette!“ brüllte. Die meisten Männer rannten darauf zu einem Depot, in dem, offenbar für solche Fälle, eine Menge Eimer gelagert waren. Ich folgte ihnen, holte mir ebenfalls einen Eimer und half bei den Löscharbeiten, so gut es eben ging, stellte mich ganz vorne ans Feuer und leerte einen Eimer nach dem anderen in die Flammen. Die Hitze war fast unerträglich, aber noch schlimmer war der Rauch, den ich mit jedem Atemzug in die Lungen bekam. Aber wenn ich wollte, dass die Leute sich bei der Wahl zum Sheriff an mich erinnerten, dann musste ich als der gesehen werden, der ganz vorn steht und seine Haut für die Stadt riskiert. Will hing sich unterdessen an die Pumpe, als ginge es um sein Leben.
Doch der Drugstore, ein niedriges Holzgebäude, war schon nach kurzer Zeit völlig niedergebrannt, während das vermeintliche Freudenhaus, ein größeres, zweistöckiges Backsteingebäude, äußerlich unbeschädigt blieb, bis wir das Feuer gelöscht hatten. Von innen war der Schaden allerdings enorm: Alle Wände waren geschwärzt, die Treppe eingestürzt, und was auch immer an Einrichtung im Erdgeschoss gestanden haben mochte, war zu einem großen Haufen Asche verbrannt.
Als die Trümmer weit genug abgekühlt waren, begannen wir damit, den Schaden aufzuräumen. Ich kam gerade mit einem Stapel weitgehend verkokelter Bretter aus dem Backsteinhaus, als Hank Butch, der Vorarbeiter, mir seine Hand auf die Schulter legte.
„Hast dich reingehängt, als wär's dein eigenes Haus. Du bist in Ordnung, du kannst bleiben. Verfluchte Hurensöhne, gottverdammte.“
„Rothäute?“, presste ich hustend hervor.
„Ach was, Rothäute, das waren die selben dreckigen Halunken, die unseren letzten Sheriff und die arme Betty auf dem Gewissen haben. Die wollen, dass es den Leuten hier zu gefährlich wird, dass Alamosa eine Geisterstadt wird. Dass sie Betty so zugerichtet haben, das war eine Botschaft. Sonst hätten sie sie wohl kaum direkt vor unsere Füße geworfen, sondern irgendwo in den Wäldern liegen lassen oder verscharrt. Und dass sie
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