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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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denke schon.«
    Täuschte er sich, oder war in den Augen des Paters ein seltsames Feuer aufgeflackert?
    »Nun, dann werde ich hier wohl tatsächlich nicht gebraucht «, sagte Pater Giacomo und erhob sich wieder. Er trat zu Stefano und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Es erfüllt mich mit großer Freude zu sehen, mit welchem Eifer du den Dienst für den Herrn versiehst. Und wie sehr ich mich auf dich verlassen kann.«
    Pater Giacomos Augen schienen ihn wie Lanzen zu durchbohren . Er weiß es, schoss es Stefano durch den Kopf. Woher auch immer er das Wissen haben mag, er weiß, was hier eben passiert ist, er weiß, was ich vorhabe. Und wahrscheinlich weiß er auch, dass ich das verbotene Buch nicht verbrannt , sondern stattdessen darin gelesen habe. Er kann lesen , was auf meiner Stirn geschrieben steht. Und es ist wohl besser für mich und mein Seelenheil, ihm jetzt alles zu beichten . Der Scheiterhaufen wird schließlich nicht nur für andere errichtet. Das Holz kann auch für mich aufgeschichtet werden.
    Für einen kurzen Augenblick kämpfte Stefano mit sich, Pater Giacomo von dieser anderen Frau zu erzählen, die angeblich eine Hexe war. Doch dann sah er wieder dieses Feuer in den Augen seines Mentors, dieses nahezu dämonische Auf-flackern, das er neulich schon einmal vor der Frühmesse in der Kirche gesehen und das ihm solche Angst gemacht hatte. Und er schwieg.
    Pater Giacomo schien in sich zusammenzusinken. »Nun, ich ziehe mich wieder zurück«, sagte er und klopfte Stefano geistesabwesend auf die Schulter. »Ich muss nachdenken, beten . Dabei wünsche ich nicht gestört zu werden. Unter gar keinen Umständen. Während meiner Abwesenheit wirst du mich hier vertreten, Stefano. Außerdem solltest du die Protokolle ordnen und sie in eine gescheite Reihenfolge bringen. Bei der Gelegenheit kannst du sie nochmals durchgehen und jede Ungereimtheit, jeden Zweifel ausmerzen. Wenn morgen der Ketzerprozess beginnt, will ich vor dem Kaiser nicht den Hanswurst spielen müssen, weil die jeweiligen Akten unauf-findbar oder unvollständig sind oder die Aussagen einander widersprechen.«
    Pater Giacomo ging, nein, er schlurfte davon, während er unverständliches Zeug vor sich hin murmelte, wovon Stefano nur die Worte »Botschaft« und »keine Nachrichten« aufschnappte . Normalerweise war sein Körper aufrecht und voller Energie wie der eines jungen Mannes. Nie sah man ihm an, dass er mittlerweile fast hundert Jahre alt war. Seine Jugendlichkeit, seine unerschütterliche Gesundheit und Kraft waren ein großer Segen und ein besonderes Geschenk, das Gott ihm zum Lohn für seine Treue bereitet hatte, so wie Er es schon mit vielen Seiner Propheten vor ihm getan hatte. Doch jetzt, in diesem Moment, wirkte Pater Giacomo wie ein gebrechlicher Greis. Stefano sah ihm besorgt nach. War Pater Giacomo etwa doch krank? Er schien müde, und in den vergangenen Tagen war er oft geistesabwesend. Außerdem benahm er sich in letzter Zeit so seltsam. Vielleicht überstiegen die Ketzerjagden, die anschließenden Verhöre und die Prozesse, die ihn in den kommenden Wochen erwarteten , doch seine Kraft. Er war so eifrig, so gewissenhaft mit der Erfüllung seiner Aufgabe als Inquisitor beschäftigt, dass er bei jeder Verhaftung und jedem Verhör selbst zugegen sein wollte. Zudem fastete er viel. Zu viel für einen alten Mann, ungeachtet seiner scheinbaren Jugend. Vielleicht sollte Stefano versuchen Pater Giacomo dazu zu bewegen, sich mehr Ruhe zu gönnen, zu schlafen, regelmäßige Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Oder … war es etwa doch … War er etwa … besessen? Stefano schluckte. Plötzlich schien ihm der Kragen seiner Kutte zu eng zu sein.
    Unsinn, schalt er sich. Solche Gedanken kommen nur von der verbotenen Lektüre. Du solltest das Buch doch noch ins Feuer werfen. Er seufzte und kehrte an den Schreibtisch zurück . In einer der Schubladen bewahrte er die Protokolle auf, die er während der Verhöre angefertigt hatte, einen ansehnlichen Stapel, der mit Lederschnüren zusammengebunden werden musste, damit er nicht ständig auseinander fiel und sich die einzelnen Blätter im ganzen Raum verstreuten.
    Seine Gedanken wanderten zu dem Schreiber Martinez und seiner unglücklichen Frau. Sie brauchten seine Hilfe, seine Unterstützung. Aber nicht heute, dachte er und hob resigniert den Stapel Pergament aus der Schublade. Der Befehl des Inquisitors war eindeutig. Er sollte sich mit den Prozessakten vertraut machen. Das allein würde bereits

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