Die Feuer von Córdoba
ansah, hatten sich ihre Augen mit Tränen gefüllt. »Ich …« Dann schüttelte sie resigniert den Kopf. »Auf Wiedersehen, Pater«, sagte sie so leise, dass er die Worte kaum hören konnte, und ging davon. Sie wankte dabei, als hätte ein harter Schlag des Schicksals sie getroffen. Nachdenklich und voller Kummer blickte er ihr nach. Jetzt, da sie ihren Plan durchgeführt hatte, schien sie keineswegs glücklich darüber zu sein. Im Gegenteil, ihr Gewissen begann sie bereits zu quälen. Aber warum hatte sie sich ihm nicht anvertraut? Er war doch Priester. Sie konnte ihm alles beichten , auch ihre Eifersucht und den Wunsch, der verhassten Nebenbuhlerin Schaden zuzufügen. Hatte sie etwa Angst vor ihm? Traurig schüttelte er den Kopf und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Diese Frau hatte Angst vor ihm. Sie hatte Angst, dass er sie ebenfalls auf den Scheiterhaufen bringen würde, wenn sie ihm die Wahrheit erzählt hätte. Aber warum dachte sie so etwas? So schwerwiegend ihre Lüge auch sein mochte, wegen so einem geringen Vergehen wurden Menschen doch nicht verbrannt. Bei den Ketzerprozessen ging es um Verbrechen gegen Gott und die Kirche und nicht um Lügen, Eifersucht oder Ehebruch.
Er stützte den Kopf in die Hände und seufzte. Zum ersten Mal wünschte er sich, er wäre nicht der Gehilfe des Inquisitors , sondern ein Priester irgendwo in einer kleinen stillen Dorfkirche, wo die Menschen ihn mit all ihren Sorgen und Nöten aufsuchten, wo er ihnen beistehen und ihnen helfen konnte, im täglichen Leben den Weg zum lebendigen Gott und seiner alles umfassenden Liebe zu finden. Stattdessen saß er hier am Schreibtisch der Inquisition, und die Menschen zitterten vor ihm. Aber war er nicht immer noch ein Priester, ein Diener Gottes, ein Seelsorger ? Hieß das nicht, dass es seine Aufgabe, seine Pflicht war, sich um die Seelen der Gläubigen zu kümmern, sie davor zu bewahren, Schaden zu nehmen?
Plötzlich wusste Stefano, was er zu tun hatte. Er sah es klar und deutlich vor seinen Augen, und er würde diesen Gedanken sofort in die Tat umsetzen. Er erhob sich.
Wie viele Schreiber mochten im Stadtrat arbeiten? Ein Dutzend, vielleicht zwanzig. Höchstens. Und wie viele von ihnen mochten den Namen Martinez tragen? Den richtigen Mann zu finden war also nicht das Problem. Allerdings würde er vorher die Kutte wechseln müssen. Wenn er im Stadtrat, angetan mit dem Wappen der heiligen Inquisition, Señor Martinez zur Seite nahm, würde das nicht nur für Aufsehen und böse Gerüchte sorgen, vermutlich würde der arme Mann vor Angst unter sich lassen und kein Wort von dem begreifen, was er ihm zu sagen hatte. Nein, er würde mit dem Mann als Priester, als einfacher Mönch sprechen. Er würde ihm ins Gewissen reden, die andere Frau endlich ziehen zu lassen, die Beichte abzulegen und zu seiner Ehefrau zurückzukehren, damit Señora Martinez wieder lachen und singen konnte.
Stefano war schon dabei, den Raum zu verlassen, als sich die schmale Tür an der anderen Seite öffnete und Pater Giacomo eintrat. Er sah müde aus, sein Gesicht hatte eine ungesunde , fast graue Farbe, und die Schatten um seine Augen waren so dunkel, als hätte er seit vielen Tagen keinen Schlaf mehr gefunden. Stefano erschrak, als er seinen Mentor so sah.
»Du willst fort, Stefano?«, fragte Pater Giacomo. »Wohin denn?«
»Da war eine Frau, Pater. Und ich wollte nur …« Stefano hielt inne. Eigentlich hatte er Pater Giacomo von Señora Martinez erzählen wollen, doch plötzlich widerstrebte es ihm. Er hatte das Gefühl, dass es besser war, den Mund zu halten.
»Eine Frau? Carlos berichtete mir, dass mich jemand zu sprechen wünschte. War sie es?«
Stefano runzelte verärgert die Stirn. »Ich hatte Carlos ausdrücklich untersagt, Euch zu stören, Pater«, entgegnete er verärgert.
Doch Pater Giacomo winkte ab, fuhr sich müde übers Gesicht und ließ sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch sinken.
»Die Anliegen der Gläubigen sind stets vorrangig, mein Sohn«, erklärte er. »Was hatte das Weib auf dem Herzen? Es muss etwas Wichtiges gewesen sein, wenn du Hals über Kopf davonstürmst.«
»Nein, nichts Wichtiges«, entgegnete er. »Wenigstens nichts, das Eure Bemühungen erfordert hätte, Pater. Törichtes Geflüster von der Straße. Die Frau brauchte lediglich etwas Zuspruch, das ist alles.« Er zuckte mit den Schultern. Es tat ihm nicht einmal Leid, dass er seinen Mentor belog.
»Und? Konntest du das Weib beruhigen, mein Sohn?«
»Ich
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