Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
Vom Netzwerk:
Herz. Und noch haben die Kräfte, die unser Land und unser Volk vergiften, sie nicht in ihrem Visier. Doch das wird nicht immer so bleiben. Unter ihnen sind zwar auch ein paar Frauen, die Botschaften der Engel empfangen, aber sie könnten blind für die Gefahr sein, die ihnen droht. Sorgt dafür , dass auch sie rechtzeitig dieses Land verlassen.« Ihr Blick wanderte voller Liebe über das Gelände des Klosters, und doch kam es Anselmo so vor, als wollte sie sich verabschieden . »Ich sehe Rauch auf dem Wasser, Señor. Viel Rauch.« Dann wandte sie sich wieder an Cosimo. »Ich werde mich jetzt zum Gebet zurückziehen. Nehmt Euch so viele Pflanzen, wie Ihr benötigt, Señor. Es braucht Euch nicht zu reuen, sie werden ohnehin bald zertrampelt.«
    Mutter Maddalena ging auf Anselmo zu und lächelte ihn an.
    »Du wirst deine Angst besiegen, junger Freund«, flüsterte sie ihm zu und legte ihm eine Hand auf den Arm. Es war eine schmale Hand, die Haut war faltig und dünn. Er spürte ihre Berührung kaum, und doch wurde ihm warm, als würde er in einer kalten Winternacht an einem Feuer sitzen. »Wenn Not und Gefahr dich bedrängen, werden die Pferde deine Freunde sein und dich überall hintragen, wohin du willst. Und kümmere dich um Teresa.«
    Anselmo starrte ihr nach. Sie sah so zart und zerbrechlich aus. Sie reichte ihm nicht einmal bis zum Kinn. Trotzdem ging von dieser Frau eine Kraft aus, die ihn in Erstaunen versetzte .
    »Cosimo«, sagte er, als sie die Pflanzen gesammelt hatten und zu ihren Pferden zurückkehrten, »glaubt Ihr, dass Mutter Maddalena wirklich …«
    »In die Zukunft sehen kann, dass sie Visionen hat und Engel zu ihr sprechen, wie man es sich erzählt?« Cosimo runzelte nachdenklich die Stirn. »Wenn ich ehrlich bin, Anselmo, so glaube ich nicht daran – wenn ich auf meiner Hazienda bin. Dann halte ich sie einfach für eine starke, kluge Frau, die sich Gedanken macht über das, was in der Stadt und im Land geschieht. Aber wenn ich ihr gegenüberstehe und sie reden höre …« Er lächelte. »Dann fällt es mir schwer, diesen Gerüchten keinen Glauben zu schenken. Und ich bin mir nicht sicher, ob nicht doch die Engel des Herrn sie regelmäßig in ihrer Höhle besuchen. Sie ist eine erstaunliche Frau.«
    »Ja«, sagte Anselmo nachdenklich. Warum hatte Mutter Maddalena die Pflanzen ausgesät? Weshalb hatte sie Cosimo heute erwartet? Und warum sagte sie, dass sie die Pforte nicht mehr brauchen würden? War das wirklich nur Klugheit? Oder waren nicht doch auch himmlische Kräfte am Werk? »Wirklich erstaunlich.«

VII
    Eine Frage des Lichts
    Halb benommen vor Müdigkeit betrat Stefano die Sakristei . Er fühlte sich, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Dabei kam das der Wahrheit ziemlich nahe. Anfangs hatten sie geglaubt, dass zwei, vielleicht drei Wochen ausreichen würden, um alle Ketzerprozesse durchzuführen. Doch der April war vergangen, sie hatten das Pfingstfest hinter sich gelassen , und nun neigte sich auch der Mai seinem Ende entgegen . Aber die Prozesse waren immer noch nicht vorbei, die Ketzer schienen sich zu vermehren wie die Ratten – wie Pater Giacomo stets zu sagen pflegte. Immer wenn sie glaubten, die Letzten von ihnen seien ihnen nun endlich in die Falle gegangen , wurde irgendwo in einem Kellerloch oder einem verkommenen Haus ein neues Nest entdeckt, in dem Hexerei, Zauberei und Gottlosigkeit regierten. Wie Pater Giacomo fast täglich betonte, schien aus Córdoba ein neues Sodom und Gomorrha geworden zu sein.
    Wenn Stefano und Pater Giacomo nicht gerade im Gerichtssaal saßen oder gemeinsam die Protokolle durchgingen, um einen reibungslosen Prozess zu gewährleisten, so waren sie mit Pedro, Carlos und anderen Dienern unterwegs, um in der Stadt weitere Ketzer zu verhaften, die brave, gläubige Bürger der Inquisition gemeldet hatten. Die Kerker im Alcázar und unter den Grundmauern von San Tomás drohten mittlerweile zu bersten. Nebenbei hatten sie noch ihre eucharistischen Pflichten zu erfüllen, ganz zu schweigen von den Gebetszeiten, die sie als Angehörige des Ordens der Dominikaner eigentlich einhalten sollten. Für Ruhe und Schlaf blieb da wenig Zeit.
    Stefano rieb sich die brennenden Augen und öffnete gähnend den Schrank, in dem die Messgewänder aufbewahrt wurden. Auch diesen Tag würden sie wieder im Gerichtssaal verbringen. Pater Giacomo wollte sich noch in der Stille seiner Zelle auf den Prozess vorbereiten und hatte deshalb Stefano gebeten, vor der Frühmesse

Weitere Kostenlose Bücher