Die Feuer von Córdoba
Gesicht stieg. Hoffentlich hatte er wenigstens nicht laut geschnarcht.
»Ein feiner Seelsorger bist du!«, schimpfte er leise mit sich selbst und setzte sich auf. Er rieb sich das Gesicht und kniff sich mehrmals in die Wangen, um schneller munter zu werden . »Sitzt im Beichtstuhl und verschläft einfach die heilige Messe. Wenn das einem Messdiener passiert wäre, dann würdest du jetzt …«
In diesem Augenblick hörte Stefano das Klopfen. Ein feines , zartes Klopfen an der hölzernen Luke, welche die schmale Kabine des Priesters von der des Beichtwilligen trennte. Er erstarrte. Zuerst dachte er daran, dass es vielleicht dieses Klopfen gewesen sein könnte, das ihn geweckt hatte. Das Klopfen eines Gläubigen, der vor der Messe noch seine Beichte ablegen wollte, um die Feier der heiligen Eucharistie mit reinem Herzen zu begehen. Letztlich würde das bedeuten, dass er gar nicht lange geschlafen haben konnte, denn kaum jemand ging nach dem Gottesdienst zur Beichte. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Erleichterung. Dann hatte es möglicherweise niemand bemerkt, und niemand … Und was ist mit dem Gläubigen, der jetzt beichten will? Stefano spürte die glühende Hitze in seine Wangen steigen. Er hatte eben laut vor sich hin gesprochen. Wer auch immer auf der anderen Seite des Beichtstuhls kniete, er musste ihn gehört haben. Und das wiederum bedeutete …
Es klopfte erneut.
»Pater?«, flüsterte eine Stimme. »Pater Stefano?«
Stefano biss die Zähne zusammen. Verwünschungen halfen nichts, er musste sich zusammenreißen. Hastig strich er sein Haar und die Albe glatt, obwohl er durch das hölzerne Gitter hindurch für den Gläubigen kaum zu erkennen war. Dann räusperte er sich und schob die Luke zurück.
»Gelobt sei Jesus Christus!«, sagte er so würdevoll, wie es ihm noch möglich war, und er hoffte inständig, dass auf der anderen Seite des Gitters eines dieser alten, zahnlosen und halb tauben Weiber kniete, die immer noch treu jeden Morgen zur Frühmesse nach San Tomás kamen.
»In Ewigkeit, amen!«, antwortete eine Stimme. Sie gehörte zwar einem Weib, aber keinem zahnlosen alten. Obwohl sie leise und gedämpft sprach, war die Stimme tief, voll und wohlklingend, und unwillkürlich stellte Stefano sich eine wunderschöne große Frau mit langem, dichtem schwarzem Haar vor. Eine junge Frau mit ausgezeichneten Ohren.
»Nun, meine Tochter, was willst du vor Gott bekennen?«
»Ich komme nicht, um die Beichte abzulegen, Pater Stefano «, sagte die Frau. »Ich komme, um Euch zu warnen.«
Diese Worte trafen Stefano so unerwartet, dass er zuerst glaubte sich verhört zu haben.
»Mich warnen?«
»Ja. Ihr schwebt in großer Gefahr, Pater.«
Stefano holte tief Luft. Natürlich war ihm bekannt, dass die Diener der Inquisition nicht gerade die uneingeschränkte Sympathie und Liebe des Volkes genossen. Man fürchtete sie, man scheute sich vor ihnen. Vielleicht wurden sie sogar von manchen unehrenhaften Individuen in dieser Stadt gehasst . Und wenn sich diese Subjekte zusammenrotteten, konnten sie dem Inquisitor oder einem seiner Gehilfen in einer einsamen dunklen Gasse gewiss auch gefährlich werden . Aber noch nie war ihm zu Ohren gekommen, dass ein Diener der Inquisition offen bedroht worden war. Und schon gar nicht in einer Kirche kurz vor Beginn der Messe. Das war so unerhört, dass Stefano eine Weile brauchte, bis er die Sprache wiederfand.
»Du willst also damit sagen, dass mir jemand nach dem Leben trachtet?«, fragte er und dachte, dass diese Frau sowohl Feindin und Überbringerin der Todesbotschaft als auch eine Freundin sein konnte, die lediglich sein Leben schützen wollte. »Wer sollte das sein?«
Durch das Gitter hindurch nahm er eine Bewegung wahr, und er hatte den Eindruck, dass die Frau auf der anderen Seite den Kopf schüttelte.
»Nein, Pater, nicht Euer Leben ist in Gefahr – zumindest nicht Euer Leben in dieser Welt –, sondern Eure unsterbliche Seele. Ihr wandelt auf dem Pfad, der unweigerlich ins Verderben führt. Ihr folgt den Spuren des Teufels. Aber noch seid Ihr nicht verloren. Noch könnt Ihr Eure Seele retten und das ewige Leben erlangen. Sofern Ihr …«
»Wovon sprichst du, Weib?«, zischte Stefano. »Welchem Teufel soll ich angeblich folgen? Du weißt offenbar nicht, mit wem du sprichst! Ich bin …«
»Ihr seid Pater Stefano, der Gehilfe des Inquisitors von Córdoba«, unterbrach ihn die Frau so ruhig und gelassen, dass es nur zwei Möglichkeiten gab – entweder sie war
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