Die Feuer von Córdoba
geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, amen!«
Als er fertig war, sah er auf. Tränen liefen über Pater Giacomos Gesicht, das bleich und eingefallen wirkte. Doch er lächelte, und in seinem Blick war keine Spur mehr von Zorn oder Hass, als hätten die Tränen all das Böse weggewaschen . Seine Lippen formten ein lautloses »Danke«. Dann schloss er die Augen. Stefano beugte sich über Pater Giacomo, küsste ihn auf die Stirn, nahm wieder seine Hand und kniete neben seinem Bett, bis er schließlich aufhörte zu atmen.
Dies könnte der Himmel sein
Anne hielt ein Glas mit Rotwein in der Hand. Es war ein schwerer spanischer Wein, fast schwarz und dabei dickflüssig wie Sirup. Kleine goldene Funken tanzten auf seiner Oberfläche , als hätte jemand Flitter darüber gestreut. Cosimo hatte sich spendabel gezeigt und ein Fass mit einem ausgesucht guten Tropfen geöffnet. Dazu gab es ein einfaches ländliches, aber nichtsdestoweniger fantastisches Essen, bei dessen Zubereitung Anselmo sich selbst übertroffen und dem Teresa mit feiner, sicherer Hand eine delikate maurische Note verliehen hatte. Der Abend selbst schien einem Bilderbuch entsprungen zu sein. Ein paar Tage lang war es sogar für andalusische Verhältnisse unerträglich heiß gewesen, und auch in der Nacht war vor Hitze an Schlaf kaum zu denken. Doch an diesem Tag hatte eine leichte Brise Abkühlung gebracht. Und jetzt am Abend war es angenehm warm, und so hatten sie die Tafel auf dem Hof gedeckt. Über ihnen wölbte sich ein klarer Himmel, an dem Millionen und Milliarden von Sternen funkelten . Grillen zirpten, und mit Beifußkraut umwickelte Fackeln vertrieben mit ihrem Duft die lästigen Mücken.
Anne schwenkte das dickwandige, etwas unregelmäßige Glas in ihrer Hand und dachte an die vergangenen Tage. Es war noch keine Woche her, seit die Nachricht, dass Giacomo de Pazzi in der Nacht auf den 17. Juni gestorben war, sich in Córdoba wie ein Lauffeuer verbreitet hatte. Mittlerweile war der Inquisitor in einer schlichten Gruft in der Kirche San Tomás beigesetzt worden, und Stefano hatte sein Amt als vorläufiger Inquisitor genutzt, um die Kerker von Alcázar und San Tomás räumen zu lassen. Nur zu gern hatte Karl V. alle Entlassungspapiere unterzeichnet, und die Miliz, die Wachen im Kerker, die Folterknechte und alle anderen Diener der heiligen Inquisition kümmerten sich wieder um ihre Familien und ihre Höfe, gingen ihren ursprünglichen Berufen nach oder streiften ziellos durch die Straßen der Stadt. Und obwohl sie wussten, dass dieser paradiesische Zustand, in dem kein Bürger der Stadt vor seinem Nachbarn Angst haben musste, nicht von Dauer sein würde, war es doch ein Gefühl der Erleichterung. Ein Gefühl, als ob dies hier der Himmel und die Welt ein Stück besser geworden wäre. Wenn auch nur vorübergehend.
Die Last und die Sorgen der vergangenen Wochen und Monate waren von ihnen abgefallen. Für einen Augenblick, für ein kurzes Atemholen waren sie frei – Cosimo, Anselmo und Teresa, Stefano und Anne. Und auch Karl V., der mit leuchtenden Augen Cosimos Einladung zur Falkenjagd gefolgt war. An diesem Morgen waren er und Cosimo aufgebrochen. Die beiden Männer hatten sich auf Anhieb so gut verstanden, als ob sie sich bereits seit Ewigkeiten kennen würden. Sogar Anselmo , der offenbar seine Angst vor Pferden überwunden hatte , war mit auf die Jagd gegangen. Anne hatte sie mit gemischten Gefühlen davonreiten lassen. Natürlich gönnte sie Karl V. dieses Vergnügen von ganzem Herzen, das die Bürde seines Amtes ihm nur allzu oft versagte. Aber sie wusste, dass ihre Tage hier in Córdoba gezählt waren. Vielleicht sogar die Stunden. Und sie hätte die Zeit gern mit ihm verbracht.
Nachdenklich ließ sie den Blick über die lachenden Gesichter der Tischgesellschaft wandern: Cosimo, dessen Wangen Farbe hatten, dessen Augen vor Leben und Leidenschaft funkelten und der so ausgelassen war, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Anselmo, der zwischen sprühendem Witz und zahllosen Anekdoten, die jedem am Tisch vor Lachen die Tränen in die Augen trieben, keine Gelegenheit ausließ, um der an seiner Seite sitzenden Teresa zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Teresa selbst, die jetzt, da sie sich nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher