Die Feuer von Córdoba
meine Anwesenheit in Córdoba nicht mehr nötig, und ich kann mich endlich wieder mit ungeteilter Aufmerksamkeit um das Reich kümmern. Gott allein mag wissen, welches Chaos und welche Katastrophen mich in Toledo erwarten.«
»Nun, ich will Euch nicht aufhalten«, sagte Cosimo. »Aber Ihr sollt wissen, dass Ihr stets in meinem Haus willkommen seid – als Freund.«
Karl V. ergriff die ihm entgegengestreckte Hand mit beiden Händen.
»Danke«, erwiderte er herzlich. »Glaubt mir, ich weiß das zu schätzen.«
Dann verabschiedete er sich von Anselmo und Teresa. Zum Schluss wandte er sich an Anne. Er nahm ihre Hände in seine, seine blauen Augen versenkten sich in ihre.
»Lebt wohl, Anne«, sagte er so leise, dass keiner der anderen sie verstehen konnte. »Wären wir uns in einem anderen Leben, einer anderen Zeit begegnet …« Er sprach nicht weiter, doch seine Augen begannen erneut verdächtig zu schimmern . Auch Anne brannten die Tränen in den Augen. »Ich werde Euch nie vergessen.« Karl V. küsste ihre Hände, ihre Stirn und legte dann ihre Hände an seine Brust. »Es gibt einen Ort, an dem Ihr sicher seid. Weder Alter noch Krankheit, noch Tod werden Euch je etwas anhaben können. Kein Leid wird Euch geschehen, kein Unglück kann Euch jemals treffen . Ihr werdet so sein, wie Ihr jetzt vor mir steht – jung, schön und klug. Immer, bis an das Ende aller Tage.«
Er holte tief Luft, ließ ihre Hände los, wandte sich von ihr ab und bestieg sein Pferd.
»Auf Wiedersehen!«, rief er allen zu.
Cosimo, Anselmo, Stefano und Teresa waren schon längst ins Haus gegangen, als Anne noch auf dem Hof stand und dem immer leiser werdenden Geräusch der Pferdehufe lauschte . Irgendwann war nichts mehr zu hören als der leichte Wind, der um das Haus strich und die Kerzen und Fackeln flackern ließ. Langsam öffnete sie ihre Hand, die noch warm zu sein schien von seiner Berührung, und sah, was er ihr beim Abschied zugesteckt hatte – auf ihrer Handfläche lag der kaiserliche Siegelring.
»Ein vortrefflicher Mann«, sagte Cosimo. Er war wieder aus dem Haus gekommen und nahezu lautlos zu ihr getreten. Sein Blick fiel auf den Ring, der im Schein der Fackeln glänzte . »Und er liebt Euch.«
»Ich weiß«, sagte Anne leise. »Ich weiß.«
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ihr seht müde aus. Geht schlafen.«
Anne sah ihn an. Jetzt war er wieder der Cosimo, den sie kannte – undurchschaubar, geheimnisvoll, etwas distanziert.
»Aber die anderen. Ich wollte noch …«
»Ich werde ihnen Eure Grüße ausrichten, Señora Anne«, sagte er. Dann lächelte er warm. »Wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet. Nicht nur Anselmo und ich, auch Teresa und Stefano. Und wahrscheinlich noch unzählige Menschen, die vermutlich nie erfahren werden, dass Ihr ihnen das Leben gerettet habt. Jetzt habt Ihr Euch Ruhe verdient.«
Anne fragte sich, ob Cosimo wohl mehr wusste oder ahnte als sie. Da war etwas in seinem Blick, das sie nicht deuten konnte. Aber sie war wirklich müde. So müde, dass sie glaubte, ihr würden noch im Stehen die Augen zufallen.
»Ihr habt Recht«, sagte sie und gähnte. »Ich werde mich zurückziehen. Morgen …«
»Ja, Señora. Schlaft gut.«
Anne runzelte verwirrt die Stirn. Sie wollte Cosimo fragen, was er damit sagen wollte, aber sie war einfach zu müde. Sie ging ins Haus und schleppte sich mühsam die Treppe hinauf zu ihrem Schlafgemach. Der Ring befand sich in ihrer geschlossenen Hand. Und als sie sich mit ihren Kleidern auf das Bett legte, denn zum Ausziehen war sie zu müde, öffnete sie die Handfläche. Sie sah den Ring an, auf dem das Wappen Karls V. prangte. Zärtlich streichelte sie mit den Fingerspitzen über die goldenen Rundungen – an einigen Stellen waren sie blank gescheuert, an anderen gab es Kratzer. Gebrauchsspuren . Weil er ihn getragen hatte. Karl V. Sie schloss ihre Finger um den Ring, dann fielen ihr die Augen zu.
X
Wer will ewig leben
Ein leises Klopfen an der Tür weckte Anne. Nur widerwillig schlug sie die Augen auf. Die Sonne schien bereits zum Fenster herein. Bestimmt würde es wieder ein heißer Tag werden . Aber es war ihr egal. Sie wünschte, Karl V. wäre da, sie wünschte, er würde jetzt nicht in seiner Kutsche auf dem Weg nach Toledo sitzen, bereits meilenweit von Córdoba entfernt. Sie wünschte, er wäre jetzt an ihrer Seite. Sie wünschte, er wäre niemals davongeritten.
Erneut klopfte es.
»Anne? Sind Sie da?«
Es war Anselmos Stimme. Irgendwo im
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