Die Feuer von Córdoba
geschleppt haben. Ich bin nämlich nicht bereit, das Elixier der Ewigkeit ein weiteres Mal zu trinken.«
Cosimo starrte sie regungslos an. »Wie bitte?«
»Ganz einfach«, sagte Anne und versuchte seinem Blick standzuhalten. Er tat ihr beinahe Leid. »Das erste Mal, auf Ihrem Maskenball in Florenz, habe ich nicht gewusst, was sich in dem Kelch befand. Das zweite Mal, als Sie mich nach Jerusalem geschickt haben, war ich verzweifelt. Ich brauchte einen Beweis dafür, dass ich mir meine Erlebnisse in Florenz nicht eingebildet hatte. Außerdem wollte ich meinen Sohn finden und wissen, was aus ihm geworden ist. Aber jetzt, dieses Mal, ist meine Neugierde befriedigt. Ich habe Stefano in Begleitung von Giacomo gesehen. Und ich weiß, dass ich nicht spinne, dass es dieses Elixier wirklich gibt. Aber ich weiß jetzt auch ein paar Kleinigkeiten über das Elixier der Ewigkeit, die mir vorher unbekannt waren. So kenne ich jetzt zum Beispiel seine Nebenwirkungen. Glauben Sie mir, ich möchte weder süchtig werden noch unsterblich sein. Und am allerwenigsten will ich wahnsinnig werden.«
»Aber das geht nicht«, sagte Cosimo und schüttelte langsam den Kopf wie jemand, der gerade aus einem Traum erwacht und sich noch nicht in der Realität zurechtfindet. »Sie müssen das verstehen. Wir haben …«
»Es tut mir aufrichtig Leid, Ihre Pläne zu durchkreuzen, Cosimo, aber ich bin nicht bereit, diese Reise anzutreten. Das Risiko ist mir einfach zu groß. Außerdem habe ich genug davon, zusehen zu müssen, wie Menschen, die ich liebe, von diesem Wahnsinnigen abgeschlachtet werden. Wenn Sie so dringend in der Vergangenheit etwas erledigen müssen, sollten Sie sich einen anderen Tölpel suchen oder die Reise selbst unternehmen.«
»Sie wissen, dass ich das nicht kann.« Er blinzelte. Das war die einzige Bewegung in seinem versteinerten Gesicht. »Wollen Sie nicht noch einmal in Ruhe darüber nachdenken?«
Anne schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe während des Flugs genug Zeit gehabt, um über alles nachzudenken. Ich habe das Pergament, das Sie haben wollten, gefunden. Hier ist es.« Sie holte die Schriftrolle aus ihrer Handtasche und legte sie auf den Tisch. »Damit habe ich meinen Auftrag erledigt. Und jetzt sollten Sie mich der Fairness halber gehen lassen.«
Cosimo saß steif in seinem Sessel, das vor ihm liegende Pergament nicht anrührend. Er beachtete es nicht einmal.
»Ihr Entschluss steht unwiderruflich fest, Anne?«
»Ja. Alles Geld der Welt könnte mich nicht umstimmen. Nicht einmal die Aussicht, mich an Rashids Mörder zu rächen, wäre dazu in der Lage. Ich will wieder nach Hause, nach Hamburg. Ich will in der Redaktion sitzen und Artikel über die Mode der kommenden Saison und über lohnende Urlaubsziele schreiben, anstatt kreuz und quer durch die Zeit zu reisen. Ich will mein Leben zurückhaben.«
Cosimo sah sie schweigend mit seinen dunklen Augen an. Was konnte sie darin lesen? Trauer? Angst? Enttäuschung? Resignation? Sie hatte mit allem gerechnet – mit einem Wutausbruch, hitzigen Verhandlungen, sogar mit Gewalt –, aber das hier war völlig unerwartet. Er war so ruhig, wirkte so gefasst. Anne schluckte und wandte rasch den Blick ab. Mitleid war fehl am Platz. Sie musste jetzt an sich selbst denken.
»Gut. Dann soll es wohl nicht sein. Ich kann und werde Sie auch nicht zwingen«, sagte er schließlich mit einer Stimme, die seltsam fremd und heiser klang. »Aber ich fürchte, der Rückflug nach Hamburg wird sich nicht so schnell organisieren lassen, wie Sie es sich vielleicht wünschen. Wäre es Ihnen sehr unangenehm, eine Nacht mein Gast zu sein? Morgen wird sich gewiss ein Flug finden. Andernfalls wird Anselmo Sie nach Hause bringen.«
»Eine Nacht werde ich schon überstehen«, erwiderte Anne und versuchte zu lächeln. Seltsamerweise kam sie sich gemein vor. »Aber was ist mit dem Pergament? Sie haben es sich noch nicht einmal angesehen. Vielleicht ist es ja gar nicht das, wonach Sie in Jerusalem gesucht haben.«
»Ich bin sicher, dass es die richtige Schriftrolle ist«, sagte er. »Aber das spielt jetzt keine Rolle.«
Er sank in seinen Sessel zurück und rührte sich nicht mehr. Unbeweglich starrte er auf die Tischplatte, ganz in seine Gedanken versunken. Annes Anwesenheit schien er bereits nach wenigen Augenblicken vergessen zu haben.
Doch sie war deswegen nicht traurig, obwohl sie Cosimo von Zeit zu Zeit einen besorgten Blick zuwarf, um herauszufinden, ob er überhaupt noch atmete. So
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