Die Feuer von Córdoba
konnte sie wenigstens ihren eigenen Gedanken nachhängen. Schließlich hatte sie etwas zu feiern. Sie brauchte das Elixier nicht mehr zu trinken, sie würde morgen wieder zu Hause sein und wieder ein ganz normales Leben führen. Sie hatte gewonnen, Cosimo ließ sie gehen, ihre Argumente hatten ihn offenbar überzeugt. Er hatte nicht einmal versucht sie zu überreden.
Anne seufzte und blickte aus dem Fenster in einen klaren blauen Himmel. Unter ihr schimmerte ein Fluss im gleißenden Sonnenlicht wie ein silbernes Band oder eine Leine.
Wie ein Faden, dachte Anne. Ein Faden, der sich durch ein Leben zieht und eine Richtung angibt, an die man sich halten kann; ein Faden, der einen führt und leitet, wenn man nicht mehr weiter weiß. Ob dieser Fluss wohl nach Córdoba führte?
Ja, sie hatte Cosimo die Stirn geboten und gewonnen. Aber warum um alles in der Welt konnte sie sich nicht darüber freuen?
Die Show muss weitergehen
Anselmo streckte seine Glieder und schaltete den Motor des Flugzeugs aus. Sie standen in ihrer Parkposition auf dem Flughafen von Córdoba. Durch das Fenster des Cockpits konnte er sehen, wie ein offener Jeep des Bodenpersonals auf sie zufuhr, um sie abzuholen.
Der Flug war ohne jeden Zwischenfall verlaufen. Das Wetter war ideal zum Fliegen. Während der ganzen fünfundvierzig Minuten hatte es nicht einmal die kleinste Turbulenz gegeben. Eigentlich ziemlich langweilig.
Anselmo seufzte und ließ seinen Blick über die Instrumente und Leuchtanzeigen gleiten, während er über Kopfhörer mit dem Lotsen scherzte. Es war eine Frau, und ihre Stimme klang angenehm. Überaus angenehm. Fast wie … wie …
Teresa!
Anselmo schluckte. Dann verabschiedete er sich von der netten Lotsin und schaltete die Funkverbindung ab. Ein letzter Blick über die Instrumente, um den Status der Maschine zu überprüfen, dann abschalten. Es war Routine. Alles reine Routine.
Früher, vor vielleicht sechzig Jahren, war jeder Flug noch ein Abenteuer gewesen: Jedes Luftloch, jede unvorhergesehene Änderung der Windrichtung, jeder Vogel konnten einen Piloten in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Man musste noch mit der Hand gegensteuern, die Thermik berechnen und den Kurs mit einem Steuerknüppel halten, der bei jeder Turbulenz so stark vibrierte, dass er einem aus den Händen zu springen drohte. Man hatte noch den Wind und die Kälte im Gesicht gespürt. Selbst Flughäfen waren selten gewesen, sodass er schon froh sein konnte, wenn er ein abgeerntetes Weizenfeld oder eine brachliegende Wiese gefunden hatte, die genug Platz zum Ausbremsen bot, ohne dass man einem Bauernhaus, einem Wald oder einem Abhang zu nahe kam. Seit seiner ersten Flugstunde war er ein leidenschaftlicher Pilot, er hatte das Risiko schon immer geliebt und hätte jederzeit die Vollautomatik des 21. Jahrhunderts gegen den Nervenkitzel beim Fliegen in den zwanziger und dreißiger Jahren getauscht – mochten die Lotsinnen noch so nett sein.
Natürlich dachte Cosimo ganz anders darüber. Es hatte etliche Jahre gedauert, bis er endlich bereit gewesen war, seinen Fuß zum ersten Mal in ein Flugzeug zu setzen und sein Leben einer »geflügelten Zigarre aus Metall« anzuvertrauen, wie er sich mal ausgedrückt hatte.
Anselmo schwang sich aus dem Sitz und öffnete die Tür zur Kabine.
»Meine Damen und Herren, wir sind gelandet. Ihr Flugkapitän und die Crew wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Beehren Sie uns bald wieder«, sagte er scherzhaft in demselben Ton, in dem sich für gewöhnlich das Bordpersonal der Fluglinien von seinen Passagieren verabschiedete. Anne war bereits abgeschnallt und suchte nach ihrer Handtasche. Cosimo hingegen saß immer noch angeschnallt in seinem Sessel. Anselmo spürte, wie ihm die Angst mit eisiger Kälte den Nacken emporkroch. Cosimo sah aus, als wäre er tot, als hätte ihn der Schlag getroffen. Anselmo wusste zwar, dass es nicht sein konnte – das Elixier der Ewigkeit verhinderte schließlich jede Erkrankung, auch Herzinfarkt oder Schlaganfälle, also konnte Cosimo nicht tot sein –, aber warum rührte er sich nicht?
Zaghaft streckte Anselmo die Hand aus und berührte Cosimos Schulter. Sie fühlte sich warm an. Erleichtert atmete er auf.
»Cosimo?« Er beugte sich zu seinem Herrn hinab und sah ihm ins Gesicht. »Cosimo, wir sind da.«
Zuerst geschah nichts, dann wanderten Cosimos Augen zu Anselmo. Schließlich blinzelte er.
»Wir sind in Córdoba gelandet«, erklärte Anselmo. »Wir können aussteigen.«
»Das
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