Die Feuer von Córdoba
war es immer noch das gleiche Haus wie damals. Hier waren sie Anne zum dritten Mal begegnet – 1544 war das gewesen. Damals hatte man noch über die Wipfel der Bäume zur Einsiedelei hinübersehen können, die etwa eine halbe Wegstunde entfernt weiter oben am Berg lag. Dort oben hatte Teresa …
Anselmo schloss die Augen und verdrängte die Gedanken an die Vergangenheit. Stattdessen genoss er die Ruhe, die Einsamkeit und die Gerüche um sich herum. Natürlich wusste er, dass Cosimo das Haus bis heute nicht verkauft hatte, weil es im Jahre 1544 für ihre Begegnungen mit Anne wichtig gewesen war. Trotzdem glaubte er, dass Cosimo dieses Landgut genauso liebte wie er. Es war eines der letzten Reservate auf dieser Welt, in der eine längst vergangene Zeit noch lebendig war. In den vergangenen Jahren hatten sie immer mehr Zeit auf diesem alten, entlegenen Landgut verbracht. Obgleich sie hier in Spanien waren, fühlten sie sich hier wohl. Es war ein Stück Heimat.
In einem der Fenster flammte ein Licht auf. Cosimo musste begonnen haben die Kerzen anzuzünden. Er hatte sich nie dazu entschließen können, das Haus mit Elektrizität versorgen zu lassen, obwohl die Stromleitungen kaum zweihundert Meter entfernt an der Landstraße lagen. Aber in dieses Gemäuer gehörte kein elektrisches Licht, keine Zentralheizung, kein Wasser aus dem Hahn. Wenn sie hier oben waren, kochten sie auf dem gemauerten Herd über offenem Feuer, sie heizten mit Holz, und als Lichtquelle dienten ihnen Kerzen und Fackeln. Es war wie früher – beinahe wenigstens.
Ein zweites Licht flammte auf, und Anselmo ging auf das Haus zu. Cosimo brauchte seine Hilfe. Er kam nie besonders gut mit dem Feuer zurecht. Und an diesem Abend würde er damit noch mehr zu kämpfen haben.
Als Anselmo das Haus betrat, brannten bereits die Kerzen in dem großen Leuchter, der in der Halle neben dem Esstisch stand. Anne ging durch den Raum und sah sich alles genau an. Sie zog dabei fröstelnd die Schultern zusammen. Der Tag war heiß gewesen, aber die alten dicken Mauern hielten das Haus kühl.
»Ich mache zuerst das Feuer an, dann bereite ich uns ein Abendessen zu. Einverstanden?«
Anne nickte. Anselmo stellte ihren Koffer ab und kniete sich vor den Kamin.
»Wie alt ist das Haus?«, fragte Anne und fuhr vorsichtig mit den Fingerspitzen über das Fresko, das die Wand über dem Kamin zierte und das einen der Engel des Jüngsten Gerichts darstellte.
Anselmo warf Cosimo einen kurzen Blick über die Schulter zu, doch der stand am Fenster, mit dem Rücken zu ihnen, unbeweglich wie eine Statue, und starrte hinaus in die zunehmende Dunkelheit. In dem alten unregelmäßigen Glas konnte Anselmo sein Gesicht sehen. Das Gesicht, das er schon so lange kannte, dass er es mit verbundenen Augen hätte zeichnen können. Und doch war der Ausdruck, der sich im Fenster spiegelte, beängstigend fremd. Anselmo biss die Zähne zusammen, legte Holzspäne auf den Rost im Kamin und stapelte Scheite darauf.
»Wir wissen es nicht genau«, beantwortete er an Cosimos Stelle die Frage. »Cosimo hat das Haus 1540 gekauft.« Er lachte. »Der damalige Besitzer war froh, dass er diese ›alte Hütte‹, wie er es nannte, endlich loswurde.«
»Es ist überaus stilvoll«, sagte Anne anerkennend und betrachtete eingehend einen der großen schweren Leuchter. »Fast wie ein Museum.«
»Tatsächlich haben wir hier auch seit unserem Einzug damals nichts verändert«, erwiderte Anselmo und hielt einen glimmenden Kienspan an das aufgestapelte Holz. Die Späne fing sofort Feuer. »Gut, Reparaturen fielen im Laufe der Zeit an, der eine oder andere Stuhl musste ersetzt werden, aber letztlich blieb alles beim Alten.« Er erhob sich und schob einen niedrigen Schemel näher, auf dem ein Ziegenfell lag. »Setzen Sie sich ans Feuer, Anne, dann wird Ihnen gleich warm werden. In der Zwischenzeit mache ich das Essen.«
Anselmo deckte den Tisch, holte Wurst, Schinken, Käse und Wein aus der kleinen Speisekammer, die sich unterhalb der Küche befand. Dazu gab es Äpfel, frische Tomaten und ein kräftiges Landbrot.
Während des Essens unterhielt Anselmo Anne erneut mit Anekdoten. Er spielte den Narren, obwohl ihm mit jedem Blick auf Cosimo eher zum Heulen zumute war. Cosimo lachte zwar mit und versuchte nach Kräften ganz natürlich zu erscheinen, aber in Wirklichkeit machte er den Eindruck, zusehends tiefer im Sumpf der Depression zu versinken. Er sagte seltsame Dinge, schob das Brot langsam auf seinem Teller
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