Die Feuer von Córdoba
ist gut, das ist …« Hilflos nestelte Cosimo an seinem Gurt herum. Sein Anblick schnitt Anselmo ins Herz.
»Soll ich dir helfen?«
Cosimo sah Anselmo wieder an, und plötzlich kam etwas Leben in seine Augen.
»Nein«, sagte er, und seine Stimme klang fast wieder normal. »Nein. Ich bin schließlich kein tattriger Greis. Kümmere dich lieber um die Señora.«
Er lächelte, doch Anselmo drehte es den Magen um. Auch wenn er sich Mühe gab, Anselmo ließ sich nicht täuschen. Was war in den fünfundvierzig Minuten geschehen, während Anne und Cosimo allein in der Kabine miteinander gesprochen hatten? Zu gern hätte er danach gefragt, aber er gehorchte, so wie er es in den vergangenen fünfhundert Jahren immer getan hatte. Er ging zur Ausstiegsluke, öffnete sie und ließ mit einem Knopfdruck die Treppe ausfahren.
»Na, habe ich Sie enttäuscht?«, fragte er Anne. Er hatte lange genug den Narren gespielt, um in jeder Lage scherzen und lachen zu können. Cosimo wollte offenbar, dass die Show weiterging. Also musste die Show weitergehen. Selbst noch am Galgen.
Sie stiegen aus. Er half Anne, trug ihren Koffer, unterhielt sie mit Anekdoten über die Fliegerei, brachte sie zum Lachen und lachte selbst mit, als wäre alles in bester Ordnung. Dabei ließ er jedoch Cosimo nicht aus den Augen. Langsam und schwerfällig ging dieser neben ihnen her, als müsste er sich bei jeder Bewegung durch zähen Sirup kämpfen.
Erst als sie das Flughafengelände im Mietwagen verließen, hörte Anselmo mit seinen Possen auf. Cosimo und Anne saßen schweigend auf der Rückbank, und jeder von ihnen blickte in die entgegengesetzte Richtung aus dem Fenster.
Sie sehen aus wie ein Paar, das kurz vor der Trennung steht, dachte Anselmo, während er sich in den träge dahinfließenden Feierabendverkehr einreihte. Vielleicht hätte er etwas tun können, vielleicht gab es noch Hoffnung – wofür auch immer. Wenn er wenigstens gewusst hätte, was geschehen war.
Anselmo zerbrach sich den Kopf darüber, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Er war sich nicht einmal sicher, ob er wirklich die Wahrheit wissen wollte. Zum Glück war ihm die Strecke zu dem alten Landgut in den Bergen auf der anderen Seite der Stadt so vertraut wie die Straßen und Gassen in Florenz. So machte es kaum etwas aus, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Nur einmal hätte er beinahe einen Radfahrer übersehen, der in gleicher Richtung wie sie die einsame Landstraße entlangfuhr. Es war ein alter Mann auf einem gelben Klapprad in einem abgetragenen dunklen Mantel mit einem ebenso alten Schlapphut. Anselmo erschrak, als er plötzlich direkt vor ihm auftauchte, und riss das Lenkrad herum. Anne schrie auf.
»Alles in Ordnung?«, fragte Anselmo und sah sich zu ihr um.
»Ja, ich denke schon«, antwortete sie und drehte sich mit gerunzelter Stirn nach dem Radfahrer um. Sie wirkte erschrocken und seltsam verwirrt. »Auch ihm scheint nichts passiert zu sein.«
Anselmo warf einen Blick in den Seitenspiegel. Der alte Mann trat unbeirrt in die Pedale seines Klapprads, als wäre nichts geschehen. Vielleicht hatte er die drohende Gefahr nicht einmal registriert. Dann schaute er in den Rückspiegel, und Wut und Verzweiflung stiegen in ihm hoch. Cosimo sagte nichts und rührte sich auch nicht. Er starrte aus dem Fenster, blinzelte und summte leise vor sich hin.
Es war fast einundzwanzig Uhr, als sie endlich auf den Schotterweg einbogen, der zu der Hazienda führte. Anselmo hielt den Wagen vor dem Haus und ließ zuerst Cosimo und Anne aussteigen, bevor er das Auto in die Garage fuhr. Es war ein Nebengebäude, in dem früher die Pferde und Kutschen gestanden hatten.
Anselmo schob den Riegel vor das Tor, blieb stehen und atmete tief ein. Es begann schon zu dämmern, und die angenehm kühle Luft roch schwer nach dem Harz der Kiefern und nach den wilden Kräutern, die hier überall wuchsen. Über ihm begannen die ersten Sterne zu blinken, und die Grillen stimmten ihr beinahe ohrenbetäubendes Konzert an. Die Welt mit ihren grellen elektrischen Lichtern, dem mechanischen Lärm der Motoren und ihren starken künstlichen Gerüchen schien meilenweit entfernt zu sein – vielleicht sogar Jahrhunderte weit. Hier war noch alles so, wie sie es vorgefunden hatten, als sie das Haus im Jahre 1540 bezogen hatten. Selbstverständlich hatten im Laufe der Zeit Fenster ausgebessert, Dachbalken und Dielen ersetzt und der Putz etliche Male neu gestrichen werden müssen. Aber im Großen und Ganzen
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