Die Feuer von Córdoba
hin und her, und wenn er doch ein Stück davon abbiss, kaute er so lange darauf herum, als wäre es ein Stück Baumrinde. Anne schien nichts davon zu merken, und Anselmo tat sein Bestes, um sie von Cosimos Zustand abzulenken. Er lächelte, redete und aß weiter, als wären sie eine fröhliche Familie am Abendbrottisch. Die Show musste weitergehen.
Als Anne satt war, brachte er sie in das kleine Gästezimmer und wünschte ihr eine gute Nacht. Dann ging er wieder hinunter. Er fürchtete sich vor dem, was Cosimo ihm gleich erzählen würde. Trotzdem musste er es wissen. Er musste wissen, was geschehen war. Er fand Cosimo immer noch genauso vor, wie er ihn verlassen hatte – er saß am Tisch und starrte ins Leere. Anselmo ließ sich auf den gegenüberstehenden Stuhl fallen.
»Was ist los, Cosimo? Was ist im Flugzeug auf dem Weg nach Córdoba geschehen?«
Es dauerte, bis Cosimo blinzelte und ihn ansah. Und noch länger dauerte es, bis er endlich den Mund öffnete. Doch Anselmo wartete. Wenn er Cosimo jetzt zu sehr bedrängte, würde er sich nur noch tiefer in sich selbst zurückziehen, und dann war ihm für die nächsten zwei Tage kein Wort mehr zu entlocken. Er kannte seinen Herrn schließlich lange genug.
»Wir haben geredet«, sagte Cosimo nach einer Weile.
Anselmo verdrehte die Augen. »Das ist mir schon klar«, erwiderte er ungeduldig, während sein Herz einen wahren Trommelwirbel schlug. Er vermochte die Spannung nicht länger zu ertragen. »Aber du kannst mir nicht erzählen, dass ihr zwei euch nur über das Wetter unterhalten habt.«
Cosimo schüttelte den Kopf. »Sie will nicht«, sagte er leise. »Sie will das Elixier nicht trinken.«
Obwohl diese Worte Anselmos schlimmste Befürchtungen bestätigten, trafen sie ihn doch wie ein Faustschlag in die Magengrube. Ihm wurde speiübel, und mühsam schnappte er nach Luft.
»Das … kann nicht wahr sein!«, keuchte er. »Das …«
»Und doch ist es so«, erwiderte Cosimo.
»Aber … wenn sie das Elixier der Ewigkeit nicht trinkt, dann wird sie auch nicht ins Jahr 1544 reisen können, und dann …«
»Ja.« Cosimo nickte langsam. »Genauso ist es.«
Anselmo stützte seinen Kopf in die Hände. Ihm war schwindlig. »Aber das müssen wir verhindern!«, rief er schließlich aus und schlug mit der Faust auf die Tischplatte, sodass die Teller einen Sprung taten und ein Apfel auf den Boden kullerte. »Wir müssen Anne überreden. Zur Not werden wir sie eben zwingen, wir …«
»Nein«, unterbrach ihn Cosimo, »wir werden nichts dergleichen tun.«
Anselmo sank auf seinem Stuhl zusammen.
»Und warum will sie das Elixier nicht trinken?«
»Sie fürchtet sich«, sagte Cosimo leise. »Sie fürchtet die vielfältigen Nebenwirkungen – die Sucht, immer mehr und immer öfter von dem Elixier trinken zu wollen; die Ewigkeit; den Wahnsinn. Und ich kann es ihr nicht einmal übel nehmen. Ich kann sie verstehen. Ich weiß nicht, ob ich an ihrer Stelle bereit wäre, dieses Risiko zu tragen.«
Anselmo schluckte. Es fühlte sich an, als hätte jemand ihm ein dickes Tau in den Mund gestopft, das er nun hinunterzuwürgen versuchte.
»Und was geschieht jetzt?«
Cosimo zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht«, sagte er so leise, dass Anselmo ihn gewiss nicht verstanden hätte, wenn es nicht so still in dem Haus gewesen wäre. Selbst das Knistern der Scheite im Kamin, sogar das Knacken der Deckenbalken hatte aufgehört. Es war still wie in einem Grab. »Lerne aus der Vergangenheit, lebe in der Gegenwart, vertraue auf die Zukunft. Das ist mein Wahlspruch. Seit über fünfhundert Jahren. Aber …« Er schüttelte den Kopf und sah Anselmo an. Seine Augen waren dunkel, fast schwarz vor Angst und Sorge. »Das gilt nun nicht mehr, mein Freund. Die Vergangenheit ist nicht mehr die, die wir kennen. Wenn Anne das Elixier der Ewigkeit nicht trinkt, wird sich alles ändern. Einfach alles.«
Anselmo wusste nicht, was er sagen sollte. Tränen traten ihm in die Augen.
»Und was ist dann mit uns?«
Ein trauriges, verlorenes Lächeln huschte über Cosimos bleiches Gesicht.
»Wir werden einfach so weitermachen wie bisher, mein Freund – leben. Tag für Tag, Jahr für Jahr leben, bis endlich ein Höherer uns seine Barmherzigkeit erweist und uns von diesem Schicksal erlöst.«
Sie saßen noch eine Weile schweigend am Tisch. Schließlich erhob sich Cosimo.
»Wo willst du hin?«, fragte Anselmo.
»Seit Jahrhunderten lege ich mich jede Nacht in mein Bett, um zu schlafen, auch wenn
Weitere Kostenlose Bücher