Die Feuer von Córdoba
schon mal den Tisch, ich bin hier gleich fertig.«
Anselmo lauschte aufmerksam, ob er diesen ganz besonderen Ton in Cosimos Stimme heraushören konnte, der stets eine Phase der Schwermut begleitete. Seine Stimme klang dann immer langsamer, tiefer, sogar ein bisschen heiser. Aber es war nichts davon zu merken. Er, der in den vergangenen fünfzehn Jahren nach jedem Maskenball in tiefe Depressionen versunken war, nur weil Anne Niemeyer ihnen wieder einmal nicht begegnet war, klang ganz normal, obwohl eben diese Anne, auf die sie bereits seit mehreren Jahrhunderten gewartet hatten, ihnen erst am Tag zuvor eine Abfuhr erteilt hatte. Das konnte Anselmo nicht verstehen. Was war mit Cosimo los?
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er vorsichtig.
»Natürlich.« Cosimo wandte sich zu ihm um und lächelte. Er lächelte! Anselmo konnte es kaum fassen. »Ich habe wunderbar geschlafen. Du nicht?«
»Nein«, entgegnete Anselmo und nahm einen Stapel Teller aus einem Regal. »Ich habe mir die ganze Nacht den Kopf darüber zerbrochen, was nun werden soll.«
»Tatsächlich?« Cosimo wirkte überrascht. »Mach dir doch deswegen keine Gedanken. Es wird schon weitergehen.«
Vor Schreck hätte Anselmo beinahe die Teller fallen lassen. Jetzt war er sicher, dass sein Herr verrückt geworden war. Das Gespräch mit Anne musste ihm den Verstand geraubt haben.
»Cosimo, geht es dir wirklich gut?«, fragte Anselmo besorgt. »Soll ich dir vielleicht ein Glas Wasser bringen oder …«
Cosimo hob eine Hand und brachte ihn zum Schweigen. »Ich höre Schritte auf der Treppe«, sagte er und lauschte. »Die Señora ist wach.«
»Aber Cosimo, du solltest …« Anselmo verstummte, als die Küchentür aufging und Anne hereinkam. Sie trug noch ihren Schlafanzug, ihr Haar war zerzaust, ihr blasses Gesicht wirkte seltsam faltig und alt. Sie hatte dunkle Ränder unter den Augen und machte einen müden, abgespannten Eindruck. Anscheinend hatte auch sie keine besonders ruhige Nacht gehabt.
»Ich habe nachgedacht«, sagte sie ohne jede Begrüßung. »Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich geirrt habe. Ich werde das Elixier der Ewigkeit doch trinken.« Sie ließ sich auf einen Schemel sinken. »Ihr habt mich überzeugt.«
Anselmo wusste nicht, was er sagen sollte. Die Kinnlade fiel ihm runter. Sprachlos vor Staunen und Überraschung starrte er Anne an.
»Das ist ja …«, stammelte er schließlich. »Das ist ja großartig! Nicht wahr, Cosimo?«
» Hoy no se fia, manana si «, sagte dieser lächelnd und zwinkerte Anselmo zu.
Anne hob den Kopf. »Wie bitte?«
»Nichts Wichtiges, Anne, nur ein spanisches Sprichwort.« Er trat zu Anne und ergriff ihre Hand. »Ihre Entscheidung ehrt Sie, Anne. Nicht jeder Mensch ist in der Lage, eine einmal gefasste Meinung zu revidieren.«
Anne stieß die Luft hörbar aus und fuhr sich durch das ungekämmte Haar.
»Es gibt Argumente, denen man sich nur schwer entziehen kann«, erwiderte sie und warf Anselmo einen Blick zu. Er wusste nicht, ob dieser Blick wütend, verzweifelt oder anklagend sein sollte. Freundlich war er jedenfalls nicht.
»Der Anstoß mag Ihnen von außen gegeben worden sein«, sagte Cosimo, und seine Stimme klang warm, »doch die Entscheidung kam von innen, aus Ihrem Herzen. Aber ich habe gewusst, dass ich mich auf Sie verlassen kann.«
Anne sah Cosimo überrascht an, und Anselmo runzelte unwillkürlich die Stirn.
»Was soll das heißen, du hast es gewusst, Cosimo?«, fragte er. »Wie meinst du das?«
»Nichts von Bedeutung. Eine kleine Begebenheit vor sehr vielen Jahren, etwas, das Señora Anne mir damals anvertraut hat und …« Er winkte ab. »Lasst uns jetzt frühstücken, ich habe Hunger.«
Anselmo wusste nicht, was er sagen sollte. Der Gedanke, dass Cosimo seit gestern Abend ganz genau gewusst hatte, dass Anne sich anders entscheiden würde, versetzte ihm einen Stich. Warum hatte er ihm nichts davon gesagt? Weshalb hatte Cosimo ihn in Ungewissheit, Zweifel und Angst gelassen? Seit über fünfhundert Jahren war er Cosimos Diener, mehr noch sein Vertrauter, der einzige Freund, den er je hatte. Er hatte Cosimo immer zur Seite gestanden. Während der ganzen Zeit hatten sie jede Gefahr, jeden Fortschritt und jedes Geheimnis miteinander geteilt. Und nun belog er ihn. Einfach so. Das war schwer zu verdauen.
»Nun komm schon, Anselmo«, sagte Cosimo und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Mach ein anderes Gesicht.«
»Sollte ich dich etwa noch bewundern?«, entgegnete Anselmo und
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