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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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zu befördern. Das war Zauberei, Magie. Es war jenseits jeder Vorstellungskraft.
    »Sie wissen noch, wie Sie das Elixier einnehmen sollen?«
    Cosimos Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Anne ließ den Flakon sinken und lachte. Wie sollte sie das vergessen haben. Das letzte Mal, als sie das Elixier der Ewigkeit getrunken hatte, war schließlich erst vorgestern gewesen.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte sie zu Cosimo.
    Er nickte, und plötzlich wirkte er seltsam nervös.
    »In Ihrem Zimmer steht eine Truhe. Darin finden Sie ein passendes Kleid. Sobald Sie fertig umgezogen sind, wird Anselmo Ihnen frisches Wasser und einen Becher bringen. Es ist besser, wenn Sie das Elixier in Anselmos Gegenwart trinken, damit wir den genauen Zeitpunkt bestimmen können, wann wir Sie wieder aufwecken müssen.«
    »Gut. Kein Problem.« Sie sah Anselmo kurz an. »Ich bin in fünf Minuten fertig.«
    Sie wandte sich um, und ihr Blick fiel auf das Fresko über dem Kamin. Bereits gestern hatte es sie tief beeindruckt. Es zeigte einen Engel, der eine lange goldene Posaune in der Hand hielt. Dieser Engel hatte jedoch keine Ähnlichkeit mit den niedlichen pummeligen Putten, die für gewöhnlich Kirchen zierten oder auf Heiligenbildern zu sehen waren. Dieser Engel war groß und schlank. Seine Flügel schimmerten wie Stahl, und seine Posaune leuchtete, als wäre sie wirklich aus purem Gold. Er sah mit seinem schönen Gesicht so zornig und streng auf sie herab, dass sie sich schon gestern gefragt hatte, was sie wohl angestellt haben mochte. Jetzt erkannte sie, dass der Engel Anselmo geradezu verblüffend ähnelte. Ob das ein Zufall war?
    Das kläre ich mit Cosimo, wenn ich wieder zurück bin, dachte sie.
    Mit dem Flakon in der Hand ging sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Sie wusch sich hastig, öffnete die Truhe, holte das Kleid heraus und lächelte. Es war blau wie die anderen Kleider, die sie auf ihren Reisen in die Vergangenheit getragen hatte. Cosimo kannte ihre Vorliebe für diese Farbe. Er dachte wirklich an alles. Während sie sich das Kleid überstreifte, bekam sie plötzlich doch Angst. Was sie jetzt vorhatte, überstieg ihre bisherigen Abenteuer bei weitem. In Florenz hatte sie noch nicht gewusst, dass Giacomo de Pazzi in Wahrheit ein Wahnsinniger war, der sich selbst als Gottes Werkzeug verstand. In Jerusalem war Giacomo ein Außenseiter, ein Aufrührer gewesen, der im Untergrund leben musste, weil ihn die Janitscharen und der Statthalter Suleimans gejagt hatten. In Córdoba hingegen würde Giacomo auf der anderen Seite stehen. Er war der Inquisitor. Er hatte die Macht zu entscheiden, wer gottesfürchtig und wer ein Ketzer war, und ihm gehorchte jeder, der nicht selbst auf dem Scheiterhaufen enden wollte. Und ausgerechnet diesem Mann sollte sie sich entgegenstellen? Sie sollte ihn sogar töten – denn Giacomo das Drachenöl einzuflößen lief letztlich darauf hinaus, da machte sie sich nichts vor. Sie sollte Giacomo de Pazzi töten. Sie, eine Frau in einer Gesellschaft von Männern, die sich die Freizeit gerade mit Hexenverbrennungen vertrieben. Das klang nicht gerade nach einer guten Idee. Es klang verdammt gefährlich. Wie sollte sie da wieder heil zurück in die Gegenwart kommen?
    Vielleicht komme ich ja gar nicht zurück, dachte sie, und plötzlich wurde ihr schlecht. Weder Cosimo noch Anselmo hatten etwas davon gesagt, wie es nach ihrer Rückkehr weitergehen sollte. Und ihre Blicke – insbesondere der von Anselmo –, waren die nicht wirklich seltsam gewesen? Wussten die beiden etwa, dass sie im Jahre 1544 in Córdoba sterben würde? War es das, was Anselmo verwirrt hatte?
    »Und was ist die Alternative?«, fragte Anne ihr Spiegelbild. »Willst du wirklich bis ans Ende deiner Tage mit einem schlechten Gewissen leben?« Sie blickte sich an. Ihr Gesicht sah älter aus an diesem Morgen, müde, erschöpft. Aber noch konnte sie sich gerade in die Augen schauen. Und das wollte sie auch in Zukunft. Außerdem hatte Cosimo sie gebeten, zwei Flaschen des Drachenöls mit zurückzubringen. Hätte er das wohl getan, wenn es für sie keine Rückkehr gab?
    »Kopf hoch!«, flüsterte sie sich zu.
    Es klopfte an der Tür.
    »Kommen Sie herein, Anselmo, ich bin so weit.«
    Noch einmal betrachtete sie sich prüfend im Spiegel. Sie sah nicht gerade aus wie eine der Damen am spanischen Hof, die sie von Gemälden her kannte. Ihr Kleid war viel schlichter, und der gerüschte hohe steife Kragen und die zahlreichen Unterröcke fehlten. Aber

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